New Labour: Ein Nachruf

New Labour: Ein Nachruf

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Es war ein völlig unwürdiger Auftritt, welchen der ehemalige britische Premier Tony Blair vergangene Woche vor der Irak-Untersuchungskommission hingelegt hat. Keine Spur der Reue bezüglich der illegitimen Invasion des Iraks. Keine Spur der Demut gegenüber den gefallenen Soldaten und deren Hinterbliebenen, geschweige denn gegenüber den einigen hunderttausend toten Irakern. Britische Kommentatoren sahen in seinem Auftritt...

Wie anders war da das Bild Tony Blairs bei seinem Amtsantritt vor 13 Jahren. Der ewig grinsende Strahlemann, Erfinder der neuen Arbeiterpartei, sollte nicht nur rasch zum bestimmenden Faktor der europäischen Sozialdemokratie werden, sondern sie auch völlig umkrempeln. „Dritter Weg“ hieß das Schlagwort, unter welchem versucht wurde, eine Synthese zwischen dem wirtschaftsliberalen Kapitalismus und der sozialdemokratischen Politik alter Prägung herzustellen. Der politische Zweck dieser neuen Ausrichtung war klar: Es galt, die Mitte der Gesellschaft langfristig an die Linke zu binden. Und die europäische Sozialdemokratie sprang in großen Teilen mit auf den Zug.

Dabei war die Rezeptur in ihrer wirtschaftsliberalen Ausrichtung gar keine Neuerfindung. Unter Blairs Ägide wurde in Großbritannien die Liberalisierungspolitik der Thatcher-Ära weitergeführt, ja sogar verstärkt. Man denke nur an die missglückte Liberalisierung der Eisenbahn, unter der die Benutzer auch heute noch zu leiden haben.
Dabei half es natürlich, dass die unter besagter Thatcher kaltgestellten Gewerkschaften auch weiterhin nichts zu melden hatten. New Labour kam nicht mal im Traum darauf, dass sie, im Interesse der arbeitenden Bevölkerung, den Gewerkschaften zu neuer Stärke verhelfen könnte.

Die Wirtschaft lief doch eigentlich prächtig. Die Arbeitslosigkeit nahm drastisch ab. Die einstige Wiege der Industrienationen hatte sich zur weltweit operierenden Dienstleistungswirtschaft entwickelt. Deshalb wurden denn auch die Interessen der Londoner City nach Kräften gefördert. Resultat: Während die Menschen massiv New Labour wählten, sackten die Geldsäcke aus der City Milliarden Boni ein.

Zynisch mutet heute folgende Aussage der grauen Labour-Eminenz Peter Mandelson an: Einige Mitbürger sollten ruhig durch die entfesselten Kräfte der Marktwirtschaft stinkreich werden, wenn sie denn nur Steuern zahlen – besonders dann, wenn man bedenkt, dass so manches dieser Vermögen nach Beginn der Finanzkrise auf schnellstem Weg durch Auslagerung auf die Kanalinseln dem Fiskus entzogen wurde.

Zurück auf Anfang

Natürlich gibt es in der Bilanz der Labour-Jahre auch positive Stellen. Der Nordirland-Konflikt scheint, trotz vereinzelt aufkeimender Gewaltaktionen, zu einem friedlichen Ende gekommen zu sein. Es gibt sogar Aspekte sozialdemokratischer Herkunft, die sich zeigen lassen, trat New Labour doch mit dem Anspruch an, eine gleichberechtigtere Gesellschaft zu schaffen: Die Investitionen in die Bildung haben sich verdreifacht, der Zugang zum Gesundheitssystem wurde verbessert. Leider hat die OECD erst vor kurzem verkündet, in Fragen der gerechteren Verteilung der Löhne stehe Großbritannien heute schlechter da als noch vor 30 Jahren.

New Labour hinterlässt ein marodes, quasi industriefreies, völlig überschuldetes Land, reiht sich also nahtlos, zumindest was die Bilanz angeht, an die Thatcher-Ära an. Das Resultat der vergangenen 13 Jahre lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass New Labour lediglich die Fortsetzung der Thatcher-Politik mit einem anderen Grinsen war. Nur hatte die Eiserne Lady nicht so viele Menschenleben auf dem Gewissen.

Sascha Bremer
sbremer@tageblatt.lu