/ Mut
Janina Strötgen
jstroetgen@tageblatt.lu
Sicher, das Komitee hat sich dem Druck der chinesischen Regierung nicht gebeugt und angedrohte „schwerwiegende Folgen“ für die Beziehungen zwischen Norwegen und China in Kauf genommen. Aber sollte es nicht selbstverständlich sein, dass ein solches Komitee seine Unabhängigkeit bewahrt und sich nicht erpressen lässt?
Deshalb ist die Entscheidung nicht in erster Linie eine mutige, sondern eine kluge: denn sie ehrt Mut. Und sie gibt dem Preis seine wirkliche Macht zurück. Seine Macht, nicht nur Friedensbemühungen zu belohnen, sondern selbst zum Katalysator für politische Veränderungen zu werden. Liu Xiaobo bekommt den Preis stellvertretend für alle Chinesen, die der kommunistischen Partei misstrauen und selbst Verantwortung für die Zukunft ihres Landes übernehmen. Stellvertretend für alle Menschen, die sich für den Kampf um Menschenrechte einsetzen. Auch um den Preis, ihre Freiheit oder sogar ihr Leben zu verlieren. Die Entscheidung des Komitees signalisiert Loyalität und internationalen Rückhalt gegenüber mutigen Menschenrechtsaktivisten auf der ganzen Welt.
Es wäre eine Farce gewesen, den „Einheitskanzler“ Kohl auszuzeichnen, für den – die Spendenaffäre hat es gezeigt – ein Ehrenwort schwerer wiegt als rechtsstaatliche Grundsätze. Nicht der Name Helmut Kohl, sondern der Name Liu Xiaobo passt in die bessere Tradition des Friedensnobelpreises. Denn sein Name reiht sich in die Liste früher geehrter Menschenrechtler ein: zum Beispiel 2003 die iranische Dissidentin Shirin Ebadi, 1989 der Dalai-Lama, 1984 Desmond Tutu, 1983 Lech Walesa, 1975 Andrej Sacharow, 1964 Martin Luther King und 1935 der deutsche Journalist und Pazifist Carl von Ossietzky.
Ossietzky ist nun nicht mehr der einzige, der hinter Gittern mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurde. Die persönliche Entgegennahme des Preises wurde Ossietzky jedoch von der nationalsozialistischen Regierung untersagt. Er starb 1938 an den Folgen der KZ-Haft. Auch Xiaobo wird wohl nicht zur Entgegennahme des Preises nach Oslo reisen dürfen.
Die Ehrung von Xiaobo lässt hoffen, dass das Komitee auch in Zukunft keine „Friedensarbeit vom Schreibtisch“ auszeichnet, sondern jemanden, der „für etwas eingestanden, persönliche Belastungen auf sich genommen und einen Kampf durchgestanden hat“, wie der Komiteechef Thorbjörn Jagland seine Auswahlkriterien formulierte. Liu Xiaobo wurde unter anderem wegen seiner Mitwirkung an der sogenannten „Charta 08“ – einem Aufruf zu umfassenden demokratischen und rechtsstaatlichen Reformen in China – inhaftiert. Ursprünglich sollte die Charta am 10. Dezember 2008, dem 60. Jahrestag der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, veröffentlicht werden. Nach seiner Verhaftung wurde das Manifest schon zwei Tage vor dem symbolischen Datum ins Internet gestellt.
Der Kampf geht weiter
Einen Luxemburger hätte die diesjährige Entscheidung wohl besonders gefreut: den Menschenrechtler Nic Klecker. Bis zu seinem Tod im Dezember 2009 setzte Klecker sich für die Förderung der Menschenrechte ein. Besonders wichtig war ihm auch, dass die Menschenrechte in unseren Breitengraden nicht nur floskelhaft in Sonntagsreden gepriesen werden, sondern beispielsweise auch in der Schule gelehrt werden. Denn Menschenrechte sind nirgendwo ein Besitzstand, dessen man sich sicher sein kann.
So heißt es in einem seiner kulturissimo-Beiträge: „Il y a lieu d’organiser mieux encore la défense des droits de l’Homme. Il faut rappeler sans cesse ces droits codifiés dans les textes qui sont la base morale des Nations unies engageant tous les peuples de la terre. (…) Il n’y aura de salut que dans l’éducation. Quand est-ce que l’éducation, partout dans le monde, commencera à se conformer à ce qu’exige le Préambule de la Déclaration universelle?“ In jedem Land gilt es, das Bewusstsein für die internationale Situation der Menschenrechte immer weiter zu schärfen und zu vertiefen. Auch in diesem Sinne ist die weltweit beachtete Entscheidung von Oslo ein wichtiges Zeichen.
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