Mit der Bahn

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Auf der weltgrößten Eisenbahnfachmesse, der „Innotrans“, die alle zwei Jahre in Berlin stattfindet, wurde auch dieses Jahr deutlich, dass sich auf dem Gebiet der Eisenbahnen auch weiterhin einiges tut.

Lange Zeit wurde in Westeuropa die Szene von den „drei Großen“ – Alstom, Bombardier und Siemens – beherrscht, doch erwächst diesen durch Hersteller aus dem Osten Europas, aber auch aus Ostasien zunehmend Konkurrenz.

Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Polnische Fabrikanten haben z.B. auf dem als sehr anspruchsvoll bekannten deutschen Markt in jüngerer Zeit mehrere bedeutende Aufträge sowohl auf dem Gebiet des Regional- als auch auf dem des Stadtverkehrs einheimsen können. Türkische Hersteller wollen, sowohl mit Großdieselloks (die als Lizenzbauten US-amerikanischer Mastodonten für europäische Verhältnisse eher ziemlich ungeschlacht anmuten) wie auch mit Straßenbahnen, westlich des Bosporus Fuß fassen. Die Japaner versuchen, so wie sie das bereits im Automobilsektor taten, ihre Produkte mithilfe britischer Montagewerke auf dem alten Kontinent zu verkaufen.

Was insofern einen extrem schalen Nachgeschmack hinterlässt, als die Söhne Nippons wie gehabt Weltmeister darin sind, ihren Heimatmarkt unter Einsatz eines schier unerschöpflich anmutenden Repertoires fauler Tricks und fadenscheiniger Vorwände von der westlichen Konkurrenz abzuschotten.

Etikettenschwindel

Im Auge behalten muss die westeuropäische Bahnindustrie aber auf jeden Fall die Chinesen, die im Gegensatz zu den Japanern westliche Technik im großen Stil importieren, dabei aber zunehmend auch mit eigenen Entwicklungen gen Westen ziehen.

Eine bemerkenswerte Erfolgsstory unter den Rollmaterial-Anbietern ist jene der schweizerischen Firma Stadler, die einst als Hersteller kleiner Serien von Spezialfahrzeugen begann, mittlerweile aber zu einem der wichtigen Player auf dem europäischen Markt herangewachsen ist. Die CFL hat von Stadler acht Exemplare der doppelstöckigen Elektrotriebwagen vom Typ „Kiss“ bezogen, mit welchen sie den Regionalverkehr zwischen Luxemburg und Koblenz durchführen wollen. Die Fernverkehrssparte der Deutschen Bahn ist übrigens nicht mehr an Luxemburg interessiert und lässt das Großherzogtum künftig links liegen.

Besonders begrüßen werden Leute, die an Bord eines Zuges in Ruhe arbeiten wollen, dass die Kiss-Triebwagen eine erste Klasse aufzuweisen haben, die diesen Namen auch verdient: mit Ledersitzen in 1+2-Bestuhlung. Endlich. Die erste Klasse im übrigen CFL-Material („Dostos“ und „Duscholux“) bietet dem Kunden nämlich nebst enger 2+2-Bestuhlung (meist ohne mittlere Armlehnen) lediglich ein Quäntchen mehr Kniefreiheit sowie – Gipfel des Überflusses und der Dekadenz – Sitzbezüge aus rotem statt aus blauem Stoff. So was als erste Klasse zu bezeichnen, ist streng genommen ein ausgemachter Etikettenschwindel.

Aber was soll’s: Wer eh nur von Esch nach Luxemburg will – was theoretisch 20, wegen der chronischen Kapazitätsprobleme des Bahnhofs Luxemburg in der Praxis aber nur allzu oft 25 bis 30 Minuten dauert –, der muss ja nun nicht auch noch unbedingt reisen wie einst die Hautevolee im Orient-Express.