Tageblatt-WM-KolumneMehr Schein als Sein

Tageblatt-WM-Kolumne / Mehr Schein als Sein
Eine kleine Gruppe Katar-Ultras tauchte immer wieder bei den Spielen des Gastgebers auf Foto: Tom Weller/dpa

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Es war eine der vielen negativen Schlagzeilen, die vor dem Beginn der Weltmeisterschaft auftauchten: Katar soll bewusst Fans gekauft haben, um für WM-Stimmung rund um das Turnier zu sorgen. Das Interesse am Fußball im Wüstenstaat hält sich nämlich in Grenzen. Trotzdem mussten irgendwie Anhänger her. Wie das Ganze aussieht, wurde unter anderem beim Auftaktspiel zwischen dem Gastgeber und Ecuador deutlich: Das Stadion war für die Eröffnungsfeier, die kurz vor dem ersten Match stattfand, noch prall gefüllt. Nach dem Anpfiff folgte schnell Ernüchterung. Ein Großteil der Zuschauer verließ schon zu Beginn der zweiten Halbzeit das Stadion, als die katarische Mannschaft zurücklag. Diese Zuschauer waren sicher nicht aufgrund ihrer Liebe zum Fußball zum Spiel gekommen.

Auf den Fernsehbildern gezeigt wurde allerdings immer wieder ein winziger Block katarischer Ultras. Sie trugen dunkelrote Shirts mit weißer Aufschrift und machten lautstark auf sich aufmerksam. Diese Fan-Gemeinschaft tauchte bei den übrigen Spielen von Katar jedes Mal wieder auf. Die New York Times deckte wenig später auf, dass es sich dabei eben um die angekündigten bezahlten Fans handelt. Auch bei den Spielen anderer Mannschaften sollen Unterstützer aus dem Ausland, denen Flug, Hotel, Tickets und ein Taschengeld spendiert wurden, dabei gewesen sein.

Mit der künstlichen Stimmungsmache hat man zwei Dinge erreicht. Zum einen haben sich die Organisatoren wie so oft bei dieser WM lächerlich gemacht. Zum anderen aber auch die Menschen zum Zweifeln gebracht. Besonders die zu Hause vorm Fernseher. Zumindest stelle ich mir immer die Frage, wenn Zuschauer eingeblendet werden: Sind die jetzt nur da, weil sie Geld dafür bekommen?

Es ist wie mit gekauften Followern in den sozialen Medien. Auf den ersten Blick sieht es gut aus, mehr zu haben. Bei genauem Hinsehen erkennt man dann aber meist den Betrug. Es ist mehr Schein als Sein. Nur die wahren zählen. So wie beispielsweise die Fans, die beim Spiel zwischen Polen und Argentinien am Mittwochabend wahre Emotionen zeigten: tanzende und singende Menschen mit Verkleidungen und Perücken, die mitfiebern, mitleiden. Für kein Geld der Welt so erhältlich.