LeserforumDie Escher Vereinskultur stärken!

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Unsere gesellschaftlichen Strukturen stehen und fallen mit den Vereinen.

Das erste Trimester des Jahres stand ganz im Zeichen unserer Vereine. In dieser Zeit wurden die alljährlichen Generalversammlungen abgehalten und als Gemeinderätin und Mitglied verschiedener Vereine nahm ich an so manchen dieser Veranstaltungen teil. Für die einen scheint das Befolgen der Vereinssatzung eine lästige Pflicht, doch für viele andere bedeutet sie das Regelfundament für eine demokratische und transparente Verwaltung.

Der Vereinsvorstand zieht die Bilanz des vergangenen Jahres, legt die Aktivitäts- und Kassenberichte vor, die Mitglieder werden zur freien Aussprache aufgefordert und die verschiedenen Punkte der Tagesordnung werden zur Abstimmung freigegeben. Auch richten die Klubs gemeinsam einen Blick in die Zukunft. Kurz: Wo stehen wir? Wo wollen wir hin? Anschließend wird der Abend zusammen in einer geselligen Runde ausklingen gelassen.

Die Stadt Esch verfügt, mit seinen über hundert ansässigen Vereinen, über eine traditionsreiche und vielseitige Vereinskultur in Bereichen, die über den des Sportes hinausgehen, wie z.B. Musik und Gesang, Folklore, Tierschutz, Gartenanlagen, Industriekultur, Philatelie, Interessenvereine in den Stadtvierteln, Scouting, Geschichte, Kunst und Kultur.

Und auch wenn die Interessen und Zielsetzungen der Vereine so vielseitig sind wie die Bereiche, die sie abdecken, so haben doch alle Vereinsmenschen eines gemeinsam: Sie stehen für eine Sache ein und scheuen keine Mühe, ihre Freizeit für die Vereinsarbeit und das Weiterbestehen ihres Clubs einzusetzen.

Die Tätigkeiten der Vereine beruhen fast ausschließlich auf ehrenamtlichem Engagement. Jeder, der selbst in einem Klub mitwirkt, kennt die ständige Suche nach helfenden Händen und die Erkenntnis, dass es oft dieselben sind, die sich der gemeinnützigen Arbeit widmen. „Wann et ëm d’Schaffe geet, da si se fort.“ (Worte eines langjährigen Vereinsmitglieds.)

Es ist aber dank dieser Menschen, der freiwilligen Helfer, die Kompetenz, Hingabe und Leidenschaft für ein Hobby teilen und keine Arbeitszeit berechnen, dass andere mit einer geringen Beitragszahlung zahlreiche Leistungen in Anspruch nehmen können.

Was passiert, wenn die Gemeinnützigkeit dieser Vereinsarbeit nicht mehr gewährleistet werden kann? Sollen ehrenamtliche Tätigkeiten durch bezahlte Arbeit ergänzt oder gar ersetzt werden? Oder finden wir gemeinsam Lösungen, das Ehrenamt zu stärken?

Auch nimmt die moderne Bürokratie und der Druck zur verstärkten Nutzung der Informationsmedien immer mehr überhand. Gesetzlich festgelegte Auflagen übersteigen oft die digitalen Kompetenzen und Möglichkeiten kleiner Vereine. Dies sehr zum Leidwesen der Kernaktivitäten der Vereine.

Belgien: Gesetzlich festgelegte Aufwandsentschädigung für Ehrenamtliche („défraiement aux volontaires“), nicht obligatorisch.

Ehrenamt: Es hört sich nach Arbeit an und es ist Arbeit, teilweise auch sehr viel Arbeit, doch ich bin mir sicher, dass ich aus den Herzen aller Ehrenamtlichen spreche, wenn ich schreibe: Es lohnt sich!

Ich selbst trat jung der Vereinswelt bei und lernte so die ersten Handgriffe der Vereinsarbeit. Anfangs mit dem Austeilen von Flugblättern, später mit Büroarbeiten, Auf- und Abbau von Festen, über Tresenarbeit (die ich ganz besonders mag) bis hin zum Putzen. „Et soll een sech fir näischt ze schued sinn.“ 

In meiner Jugend machte ich meine ersten Erfahrungen in Gewerkschaft und Partei, wo ich die politische Arbeit kennenlernte. Später ergriff ich die Gelegenheit, mich zusammen mit anderen Jugendlichen der nationalen Studentenbewegung anzuschließen und durfte mit Politikern und anderen Größen des Landes debattieren und neue Möglichkeiten eröffnen.

Vereinsübergreifend schufen wir solide Grundlagen für unsere berufliche Zukunft. Grundlagen, die die Schulausbildung derzeit nicht in dem Maße gewährleisten konnte. Wir knüpften und pflegten viele soziale Kontakte, erlernten neue Fähigkeiten und Fertigkeiten, probierten die verschiedensten Tätigkeitsfelder aus und sammelten praktische Erfahrungen. „Et léiert ee fir d’Liewen.“

Vor allem aber ließ uns die geteilte soziale Verantwortung und die Kollegialität in der Gruppe viele Hürden überwinden und bescherte uns gleichzeitig sehr viel Freude und Spaß. „Et si Frëndschaften entstanen, déi bis haut halen.“ 

Was machen also Gesellschaft und Politik dafür, dass die sozialen und gesellschaftlichen Strukturen des Vereinslebens weiter bestehen können?

Vorschläge zur aktiven Unterstützung der ehrenamtlichen Vereinsarbeit:

– Klare Förderlinien für Vereine seitens der Gemeinde.

– Vereinfachung der Verwaltungsabläufe für Förderanträge und Erhöhung der Fördergelder.

– Konkrete Verwaltungshilfe mit zentralisierter Anlauf- und Vermittlungsstelle für Fragen und Sachmittel („Ressourcerie“).

– Kursangebote für die Weiterbildung der Ehrenamtlichen (z.B. Gesetzgebung, RCS, Sicherheit und Versicherungen, Buchhaltung).

– Erweitertes Angebot an Versammlungs- und Veranstaltungsorten, unter anderem mit der Errichtung einer „Maison des associations“.

– Organisation einer lokalen Vereinsmesse.

Wir sollten uns dafür einsetzen, dass die Vereinspolitik, die wir fördern, unsere sozialen und gesellschaftlichen Werte vermittelt und sich bemüht, so viele Bürger*innen wie möglich mit einzubeziehen. Dies ist von besonderer Wichtigkeit für den Zusammenhalt, das Zusammenleben und die Inklusion in einer multikulturellen Gesellschaft, wie Esch sie aufweist.

Das ist die Politik, für die wir stehen und in der unsere lokalen Vereine ein zentraler Bestandteil sind!

Danke, dass es euch gibt, Vereinsmenschen!


* Joëlle Pizzaferri ist LSAP-Politikerin und aktuelle Gemeinderätin in Esch. Sie tritt am 11. Juni bei den Gemeindewahlen für ihre Partei an.