Lèse-Majesté

Lèse-Majesté
(Alain Rischard/editpress)

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Satiriker im Fadenkreuz des allerhöchsten Zornes

„Er lebt auf großem Fuß, der Boss vom Bosporus. Ein Journalist, der irgendwas verfasst, was Erdogan nicht passt, ist morgen schon im Knast“: So spotteten Satiriker aus der Redaktion des Norddeutschen Rundfunks (NDR) in ihrer Sendung „extra 3“ über den türkischen Sultan, und dieser hängt nun, wie nicht anders zu erwarten, geifernd an den Gardinen seines ceausescuesken Palastes.

Sein Problem: Im Ausland können seine Sbirren nicht einfach so unbotmäßige Journalisten von der Straße weg verhaften und in den Kerker werfen, wie es in der Türkei selbst inzwischen leider gang und gäbe ist. Aus schierem Frust wollte darob Recep Tayyip Erdogan sein Mütchen am deutschen Botschafter kühlen: Dieser wurde zum Außenwesir einbestellt und genötigt, einer geharnischten Strafpredigt zu lauschen.

Man darf indes bezweifeln, dass Botschafter Martin Erdmann bei diesem bizarren Bußritual die von ihm zweifellos erwartete alleruntertänigste Zerknirschung an den Tag legte. Denn derselbe Diplomat hatte den Furor des Allerdurchlauchtigsten bereits kurz zuvor auf sich gezogen, als er sich erfrechte, dem Auftakt des Prozesses gegen die beiden Journalisten Can Dündar und Erdem Gül von der renommierten und regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet („Die Republik“) beizuwohnen.

Ein Zeichen der Solidarität mit den beiden Verfolgten und ein Ausdruck der Unterstützung für die Pressefreiheit, die man an der Hohen Pforte natürlich partout nicht zu goutieren vermochte.
Cumhuriyet wurde 1924 von einem Vertrauten Atatürks gegründet und kämpft erbittert gegen die schleichende Zerstörung dessen laizistischen Lebenswerkes durch Erdogans pfäffische Islamisten. Und für ihre Unehrerbietigkeit müssen sie nun natürlich büßen.

Berlins Gesandter kann eigentlich von Glück reden, dass so sympathische Traditionen der ottomanischen Folklore wie die Bastonade oder das Pfählen von den machthabenden Reaktionären noch nicht wieder eingeführt worden sind (Ivo Andric hat letztere Prozedur in seiner nobelpreisgekrönten„Brücke über die Drina“ übrigens mit außerordentlich viel Liebe zum Detail beschrieben; nichts für Leute, die schlecht träumen).

Der Kalif scheint mittlerweile weitgehend unempfindlich für die Außenwirkung seines Tuns zu sein, etwas, das für Despoten indes durchaus typisch ist. So scheint er unfähig, zu begreifen, dass er sich und sein diplomatisches Personal einfach nur lächerlich macht, wenn er derb versucht, in demokratischen Rechtsstaaten Druck auf Journalisten ausüben zu lassen: Die Redaktion von „extra 3“ hat ihn jedenfalls ratzfatz zum „Mitarbeiter des Monats“ erkoren. Denn der „Erdowie, Erdowo, Erdogan“-Song erfreut sich dank der Ungehaltenheit seiner allerislamischsten Majestät einer wahren Click-Lawine.

Und wo findet man den?

Guckst du hier:

http://www.youtube.com/watch?v=R2e2yHjc_mc

fwagner@tageblatt.lu