LEITARTIKEL: Wenn er es würde

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Wenn er, Juncker, am nächsten Donnerstag zum EU-Präsidenten ernannt würde, hätte Luxemburg noch ein Problem mehr./ Alvin Sold

In der Wirtschafts- und Finanzkrise war er in den wirklich kritischen Stunden ein Chef. Einer von der Sorte, die sich nicht von den in Panik geratenen Beratern irre leiten ließen.
Könnte Luxemburg gegenwärtig, zu einer Zeit, in der keine andere Regierungskoalition vertretbar wäre als CSV (26) plus LSAP (13), ohne diesen Mann auskommen, der die soziale Gerechtigkeit zu seinem obersten Anliegen erhob? Zum Ärger vieler, im eigenen Lager?
„Nul n’est irremplaçable“, sagt ein geflügeltes Wort. In der Tat ruhen auf allen Friedhöfen nur solche, die einzigartig waren und dennoch in der Familie, im Unternehmen, im öffentlichen Leben ersetzt werden konnten. Aber: Wurden sie durch Bessere oder zumindest Ebenbürtige ersetzt?
Ist Frieden, so wie die CSV sich das vorstellt, der Neue? Automatisch? Weil er im Bezirk Zentrum im Vergleich zu den übrigen CSV-Kandidaten gut abschnitt?
Luxemburg versteht sich heute als ein Ganzes. Unser Wahlsystem fußt leider auf altem regionalem Denken, das richtig war, als Echternach, Clerf und Esch für den Stadtluxemburger am Ende der Welt lagen. Warum wird die Kernfrage, die Ablösung eines Premiers, nicht wie eine systemische (so nannte man die Bankenkrise) diskutiert? Wie eine, die jeden etwas angeht?
Müssten die Luxemburger nicht neu wählen?
Damit klar würde, was die ihres Junckers verlustige CSV tatsächlich auf die Waagschale brächte, heute, mitten in der Turbulenz, wo die großen Europäer die kleinen lehren, wer Herr ist und wer Max?
Wer träumt da? Ein Demokrat? Man fessele und knebele ihn; er könnte gefährlich sein!
Das Geplante geschehe also reibungslos: Juncker, der sowieso, wegen seiner Maestria, alle nervte, auch die Seinen, geht endlich fort, und endlich kommt einer, der zuhören muss. Die CSV hat ihren Fürsten wieder im Griff. Frieden ist kein unberechenbarer Überflieger, sondern ein stinknormaler Konservativer, einer, der nicht irgendwo, nach Lust und Laune, wie der letzte der Sozialisten redet.
Man sollte sich, nach Juncker, auf eine marktliberalere und wertkonservativere CSV einstellen. Eine sehr interessante Herausforderung für die wahren Linken (in der LSAP, den Gewerkschaften und der Gesellschaft)!
Aber was wäre, wenn unser Juncker, dieser außerordentlich gute EU-Politiker, wegen irgendwelcher Abwägungen, die in einem 27 Staaten zählenden Gremium gelten, zurückstehen müsste hinter einem Van Rompuy?
Dann machte Europa ein schlechtes Geschäft und Luxemburg ein gutes.
Denn so ist es doch, im Endeffekt: Luxemburg braucht, kurzfristig, ein Ziel und eine Vision.
Das Ziel heißt: Geordnete Staatsfinanzen. Überhöhte Defizite und Schulden sollten nicht gewagt werden. Was in den Jahren 2008 und 2009 geschehen musste, steht nicht zur Debatte.
Zur politischen Debatte steht die Vision.
Wovon können wir künftig leben, gut leben, sozial gerecht (!!!), in Luxemburg, nach dem Desaster des für Luxemburg wichtigsten Sektors, 2008?

Wir sind für Juncker

Wenn es stimmte, dass dieser Sektor nicht genügend auf pure Kompetenz aufgebaut war, sondern auf Schlupflöchervorteile, wäre es dann nicht die erste Aufgabe der Regierung (mit oder ohne Juncker), den Umbau des Finanzplatzes zu fördern und zu begleiten?
Einen Umbau, der, wenn das luxemburgische Modell ihm noch Grundlage wäre, nicht auf Kosten und zu Lasten des Personals stattfände?
Im Resümee:
Wir sind für Juncker als EU-Chef, weil er die EU wahrscheinlich weiter als andere voranbrächte, geo- und sozialpolitisch.
Wir sind für Juncker als LU-Premier, weil er hierzulande ein verlässlicher Partner war und ist.

asold@tageblatt.lu