Leitartikel: Wahlkampf light

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Ein Glück, dass Wahlplakate am Straßenrand daran erinnern, Kugelschreiber mit den Konterfeis der Kandidaten die Runde machen – andernfalls man es fast vergessen würde: Am 7. Juni sind Wahlen.

Lau, inexistent, langweilig, das sind nur die harmloseren Bezeichnungen für etwas, was sich in der Regel Wahlkampf nennt. Oder hat die Krise tatsächlich den Wahlkampfeifer der Politiker von Regierungsmehrheit und Opposition gedämpft, ihnen die Sprache verschlagen?
Nur einmal flammte in diesen Wochen das Vorwahlfeuer auf. Den Brennstoff dazu lieferten ausgerechnet ausländische Politiker. Doch das Scharmützel zwischen Premierminister und Vizepremierminister, zwischen den zwei Regierungsparteien, war nur von kurzer Zeit. Auch das zweite Thema, das für Spannung und politische Wahlkampfatmosphäre hätte sorgen können, war schnell ausgeschöpft. Ein Wort von Juncker und schon war die Tram-Diskussion beendet. Einige Querschläger aus den eigenen Reihen könnten den Dampfer CSV nicht vom Kurs abbringen, so die Message.
2009, ein langweiliger Wahlkampf? Ja, aber neu ist das für das Konsensland Luxemburg nicht. Auch 2004 zeichnete sich nicht durch phantasievolle Duelle aus.Die LSAP, damals in der Opposition und auf einen erneuten Regierungsbeitritt erpicht, drosch wie gehabt auf CSV und DP ein. „Der wirtschaftliche Rückgang, die schlechte Lage der Staatsfinanzen und die steigende Arbeitslosigkeit sind Phänomene, die miteinander verbunden sind und für die die aktuelle CSV-DP-Regierung verantwortlich zeichnet, weil sie zum falschen Zeitpunkt die falschen Entscheidungen getroffen hat.“ Das sagte LSAP-Spitzenkandidat Jean Asselborn am 8. Mai 2004 auf einem Parteikongress. Ähnliches ist heute von der DP zu vernehmen, die ihrerseits zurück in die Regierung will.
So wie damals sind diese Aussagen Bestandteil des Vorwahlgeschäftes. Es sind dies flinke Sätze, die Zuschauer, Zuhörer und Leser für einige Minuten belustigen. Mehr nicht. Sie machen keine echte Wahlkampagne aus. Dazu würde es schon einer tiefgründigen Diskussion über Sachthemen bedürfen. Zum Beispiel über die Beschäftigung, über die wirtschaftliche Weiterentwicklung des Landes, die Zukunft des Finanzplatzes, die soziale Absicherung.
Günstiger könnte der Zeitpunkt für derlei Grundsatzdebatte nicht sein. Wenn jedermann der Ansicht ist, nach der Krise werde es nicht mehr so sein wie zuvor, müssten konkrete Vorstellungen über die Nachkrisengesellschaft jetzt, vor den Wahlen, auf den Tisch.
Doch darüber herrscht Funkstille. Außer Allgemeinplätzen ist bei DP, „déi gréng“ und ADR nichts zu vernehmen. Wortkarg auch die stärkste Partei, die bisher vorgab, das Land auf den sicheren Weg zu führen. „Ich weiß im Moment nicht, welche Politik langfristig die richtige sein wird, um der aktuellen Wirtschaftsflaute Herr zu werden. Aber was ich sicher weiß, ist, was der falsche Weg wäre“, sagte Premierminister und CSV-Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker am Freitagabend auf einem Wahlkampfmeeting.

Glaube und Hoffnung

In Ermangelung konkreter Ideen bleibt der CSV nur, bei den Wählern um Vertrauen zu bitten, Vertrauen in das Althergebrachte, in die Politveteranen, die nicht zu haben sind für große Neuerungen. Auf dieser Schiene fährt der CSV-Wahlkampfzug. „Wielt Är Zukunft“, fleht die Partei am Straßenrand die Wählerinnen und Wähler an. Und in Radiospots wirbt sie für die „CSV, déi mam Juncker“. Juncker, die Vaterfigur, der man blindlings vertrauen kann; die CSV, die Partei, der man ohne zu fragen seine Zukunft anvertrauen soll. Statt Ideenstreit irrationaler Glaube, so wie man halt an Gott und an das bessere Leben im Jenseits glaubt. In Krisenzeiten wenden sich die Menschen angeblich verstärkt der Esoterik zuwenden. Für das seelische Gleichgewicht des Einzelnen mag das durchaus nütlich sein, für die Demokratie ist das jedoch verheerend.
Ohne Ideenwettbewerb jedoch kein spannender Wahlkampf, sondern sporadische Sticheleien. Mal lacht man mit der CSV über die LSAP, mal mit der LSAP über die CSV, mal zusammen mit beiden über die anderen. Wahlkampf light eben.

Lucien Montebrusco
lmontebrusco@tageblatt.lu