Leitartikel: 16. Mai, 7. Juni

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Brauchen wir überhaupt noch zu wählen? Alvin Sold

asold@tageblatt.lu

Den Meinungsforschern zufolge könnten die einzelnen Parteien am 7. Juni in ihrer jetzigen Stärke bzw. Schwäche bestätigt werden.
Ende April wäre so entschieden worden: die CSV weit vorn, die LSAP abgeschlagen auf Platz 2 und schließlich die Dreiergruppe DP, Gréng und ADR. Wer glaubt, die Kampagne würde die Grundstimmung noch beeinflussen?
Die Grundstimmung wurzelt seit Oktober/November letzten Jahres im tumben Gefühl, dem Land und den Luxemburgern drohe Gefahr. Wer war schon auf eine Krise dieser Art vorbereitet?
Luxemburg flog von Erfolg zu Erfolg; sein Finanzminister badete Jahr um Jahr in unerwarteten Haushaltsüberschüssen wie Dagobert Duck im Geldspeicher.
Er brauchte ja nur die Einnahmen zu unterschätzen, um mit dem Boni zu glänzen. Wen interessierte dieses Spielchen schon? Hauptsache, man fühlte sich sicher.
Hut ab vor Juncker und Frieden, diesen außerordentlich guten Marketingartisten, welche parteipolitisches Kapital aus dem von ihnen mitverschuldeten Desaster schlugen!
Sie schlüpften sogar in die Heldenrolle, nachdem der Steuerzahler Milliarden für die Rettung einiger Banken bereitstellen musste …
Und dann, als ihre Freunde, die sie seit Jahren küssen und betatschen, Luxemburg zum Steuerparadies degradierten, mutierten sie zu Opfern. Der böse Sarkozy! Und der noch bösere Steinbrück! Der Freche, der Biertischmensch, deen houre Preiss!
And what about Obama?
Auch der will aufräumen, wie alle Großen, die nunmehr auf das Kleingeld angewiesen sind, das sie u.a. uns in besseren Zeiten gönnten. Hassen wir jetzt die ganze alte Welt, ausgenommen natürlich Liechtenstein, Österreich und die Schweiz und die auf der schwarzen OECD-Liste?
Oder versuchen wir, unseren Platz in der neuen Welt zu finden, sans rancune (denn wer so viel Glück hatte, sollte nicht klagen), aber mit einer zielstrebig zukunftsträchtigen Politik, die auf dem Wissen und Können der Bevölkerung fußt, der luxemburgischen wie der ausländischen?
Am 16. Mai gehen in EU-Europa viele Zeitgenossen auf die Straße, solche, die um die offene Rechnung eine dunkle Ahnung haben.
Sie sagen klipp und klar: Wir bezahlen die Krisenkosten nicht. Holt euch das Geld bei den raffgierigen Aktionären und Spekulanten, lernt aus den Fehlern, hört auf mit dem Privatisierungswahn, mit der Deregulierung!
In Luxemburg vereint die Demo vom 16. Mai, obwohl sie durch den OGB-L zustande kam, alle Gewerkschaften, einbegriffen jene, deren Führer sich auf der CSV-Liste um einen Platz in der Abgeordnetenkammer bewerben. So was nimmt der Beobachter schmunzelnd zur Kenntnis. Er kennt ja den politischen Hintergrund. Er genießt die Posse.
Angesichts des Wahlergebnisses, das am 7. Juni droht, in Form einer dritten überragenden CSV-Dominanz in Folge (erstmals 1999, dann 2004), wäre es schön, wenn am 16. Mai die Konturen einer außerparlamentarischen Opposition sichtbar würden.
Der nächsten Regierung sollte kein sozialpolitischer Spielraum zugestanden werden.

Zum Zustand der LSAP

Sie komme nicht, diese nächste Regierung, mit den Argument der Unvermeidlichkeit, der Notwendigkeit, um den kleinen Leuten, und zu denen gehören wir fast alle in Luxemburg, Geld abzunehmen, in Form von Steuern, Taxen oder Kürzung von Sozialleistungen.
Sie nehme die erforderlichen Ressourcen bei denen, die lange bedient wurden. Und sie spare, anstatt, wie so oft, zu prassen!
Gestattet der Leser darüber hinaus einige Fragen zum Zustand der LSAP?
Folgende:
Warum ist die ehrbare, verdienstvolle, sozialdemokratisch-sozialistische Partei LSAP nicht mehr auf Augenhöhe mit der gesellschaftspolitisch um hundert Jahre rückständigen CSV?
Wie kam es, dass die CSV wuchs und die LSAP schrumpfte?
Ist dieses ungesunde Kräfteverhältnis definitiv akzeptiert?
Hoffentlich nicht.
Denn die CSV ist nur deshalb so mächtig, weil die LSAP ihr Potenzial nicht auszuschöpfen weiß.