Legal illegal?

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Tom Wenandy twenandy@tageblatt.lu

Die Diskussion um die praktische Handhabung des Gesetzes zur Sterbehilfe, wie sie seit rund einem Monat und verstärkt seit vergangener Woche geführt wird, könnte man auf den ersten Blick als „Viel Lärm um nichts abtun“. Bei genauerem Hinsehen allerdings entpuppt sie sich als sehr ernste, wenn nicht sogar sehr gefährliche Situation.

Blicken wir zurück: In der zweiten Oktoberwoche meldete RTL Radio Lëtzebuerg, dass eine Klinik einem sterbenskranken Patienten das Recht auf Sterbehilfe verweigert habe. Schnell stellte sich heraus, dass es sich bei besagtem Krankenhaus um die hauptstädtische Zitha-Klinik handelte. Und tatsächlich war hier ein Arzt mit der Anfrage eines krebskranken Patienten auf Sterbehilfe befasst worden, wie der medizinische Direktor Dr. Philippe Turk damals dem Tageblatt gegenüber bestätigte. Nur habe der Patient schließlich seine Willensbekundung zurückgezogen.

Demnach könnte man die Meldung einfach als falsch oder nicht ganz korrekt abtun und guten Gewissens wieder vergessen. Zumal der verantwortliche Gesundheitsminister, Mars di Bartolomeo, in seiner Antwort auf eine diesbezügliche parlamentarische Frage des „déi gréng“-Abgeordneten Jean Huss der Version des Krankenhauses nicht widersprach (diese allerdings auch nicht bestätigte).

Zukünftige Verstöße

Auch wenn im beschriebenen konkreten Fall der Zitha-Klinik also wahrscheinlich überhaupt kein Verstoß gegen das Gesetz vom 16. März 2009 vorlag, so kann ein solcher für die Zukunft aber nicht ausgeschlossen werden. Wenn im Vorfeld des Gesetzes die fast ausnahmslos aus ultra-konservativen und/oder katholischen Kreisen stammenden Euthanasie-Gegner nicht vor Desinformation und z.T. sogar Einschüchterungen zurückschreckten und eine CSV-Abgeordnete scheinbar keine Probleme damit hatte, ihre im Plenum gemachten Aussagen zur Sterbehilfe im Chamberbericht „berichtigen“ zu lassen, warum sollte dann eines Tages eine (katholische) Pflegeeinrichtung Bedenken haben, einem Patienten das Recht auf Sterbehilfe zu verwehren?

Dass die Katholika nicht unbedingt als Musterbeispiel für gelebte Demokratie angesehen werden kann und sie von Selbstbestimmung und persönlicher Freiheit nicht sonderlich viel hält, ist bekannt.

Umso wichtiger ist es, jetzt zu handeln, zu einem Zeitpunkt, wo es noch nicht zu spät ist und man den „Warnschuss“ aus der Zitha-Klinik zum Anlass für eine nüchterne Analyse des Gesetzestextes nehmen kann. Zwar hat Gesundheitsminister Di Bartolomeo unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er Zuwiderhandlungen gegen das Sterbehilfegesetz sowie die Aufspaltung des Krankenhauswesens in zwei Lager nicht tolerieren werde. Doch bleibt es fraglich, ob die von ihm angedrohten Konsequenzen im Fall der Fälle auch als solche zur Anwendung kommen können. Einem privaten Krankenhaus, das zu einem großen Teil mit öffentlichen Geldern finanziert wird, bei Verstößen gegen das Sterbehilfegesetz eben diese Mittel zu verweigern, ist aus juristischer Sicht wahrscheinlich nicht ohne Weiteres zu applizieren. Vor allem weil das Gesetz selbst keine Sanktionen für Zuwiderhandlungen vorsieht.

Fakt ist, und dies muss ganz klar sein (beziehungsweise allen potenziell betroffenen Parteien klar gemacht werden), dass ein Krankenhaus, ob es sich hierbei um ein Kongregationsspital oder jede andere Einrichtung handelt, nicht verbieten kann, was gesetzlich erlaubt ist. Ob es zum besseren Verständnis dieses demokratischen Grundprinzips Sanktionen im Gesetz bedarf, muss der Gesetzgeber entscheiden. Falls allerdings in Zukunft eine Einrichtung sich über das Gesetz hinwegsetzt und dabei straffrei ausgeht, könnte ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen werden. Ein Präzedenzfall, der nicht nur das Sterbehilfegesetz oder die Entscheidungsfreiheit der Ärzte in Frage stellen, sondern auch eine reale Bedrohung für die gesamte Demokratie darstellen würde.