Lauffieber

Lauffieber
(Tageblatt-Archiv/Didier Sylvestre)

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Esch bewegt sich: Am Samstagabend findet bereits die fünfte Auflage des Escher Kulturlaufs statt. Das Konzept ist dabei durchaus mit dem des Marathons durch die Hauptstadt zu vergleichen.

Den Läufern werden mehrere Strecken und Formen der Beteiligung angeboten. Dazu kommt eine attraktive Streckenführung, die sämtliche Viertel Eschs miteinander verbindet. Quasi eine Stadtführung im Laufschritt. Zudem geht der Sport eine Symbiose mit der Kultur ein, ist er doch eingebettet in das große Escher Festival-Wochenende (Streetfestival und „Terres-Rouges“). Zahlreiche Musikgruppen sorgen am Streckenrand für Stimmung.

Philip Michel pmichel@tageblatt.lu (Bild: Tageblatt/Isabella Finzi)

Der Kulturlauf, der auch in diesem Jahr weit über 1.000 Läufer anziehen soll, reiht sich in eine lange Lauf-Tradition ein. In den 1950er- und 60er-Jahren wurden mitten im Escher Stadtzentrum Staffelläufe organisiert, die nationale und internationale Elite gab sich vor zahlreichen Schaulustigen ein Stelldichein. 1969 gingen sogar die Marathonläufer in der Minettemetropole an den Start. Und in der jüngeren Vergangenheit war es die „Transfrontalière“ (früher Esch-Villerupt), die das Lauffieber in Esch aufrechterhielt. Wobei das grenzüberschreitende, durchaus attraktive Rennen in den letzten Jahren auch wegen seiner mangelhaften Organisation immer geringeren Zuspruch fand. Ganz im Gegensatz zum Kulturlauf, der inzwischen zu einem „Event“ geworden ist. Er profitiert vom nicht mehr ganz so neuen Lauffieber, das in erster Linie auf ein in den letzten Jahren gestiegenes Gesundheitsbewusstsein der Luxemburger zurückzuführen ist.

Keine Lobby

Noch vor 25 Jahren sah das ganz anders aus: Jogger hätte man im täglichen Escher Stadtbild wohl vergeblich gesucht. Die Zeiten haben sich geändert, was durchaus positiv zu bewerten ist. Denn Fakt ist, dass trotz des gestiegenen Gesundheitsbewusstseins in der Bevölkerung die motorischen Fähigkeiten unserer Kinder in den vergangenen Jahrzehnten auf ein beängstigendes Niveau gefallen sind. Und im Erwachsenenalter sieht es nicht viel besser aus.

Mehr als die Hälfte der Luxemburger Bevölkerung über 16 Jahre ist zu dick. Zwar hat sich die Gesamtzahl der Übergewichtigen laut einer CEPS/Instead-Studie seit 1995 nicht wesentlich erhöht, doch ist der Anteil der Fettleibigen (bei einem Body-Mass-Index über 30 kg/m2 spricht man von Fettleibigkeit, bei einem BMI zwischen 25 und 30 kg/m2 von Übergewicht) in den letzten Jahren deutlich angestiegen.

In den jüngeren Alterskategorien haben sich die Zahlen immerhin etwas verbessert, aber dennoch bringt rund ein Viertel aller Jugendlichen bis 24 Jahre mehr Gewicht auf die Waage, als gesund ist. Und aus einem dicken Kind wird in der Regel ein dicker Erwachsener. Was hohe Kosten für unser Gesundheitssystem und für den Betroffenen nicht selten physische und psychische Probleme bedeutet.
Die Ursachen für die Fettleibigkeit liegen auf der Hand: In erster Linie eine schlechte Ernährung und Bewegungsarmut. Die Erkenntnis, dass Sport Voraussetzung für ein gesundes und damit besseres Leben ist, ist allerdings noch lange nicht überall angekommen. In Anbetracht der alarmierenden Zustände mutet es schon merkwürdig an, dass der Sport in der politischen Diskussion kein Thema ist, es ihm hierzulande am nötigen Stellenwert fehlt. Neben der Signalwirkung großer internationaler Erfolge der Luxemburger Spitzensportler sind es vor allem Veranstaltungen wie der „Escher Kulturlaf“, die in Zukunft etwas daran ändern könnten. Denn sie bewegen eine beträchtliche Zahl von Menschen. Auf und neben der Strecke.