Lang lebe die Lyrik

Lang lebe die Lyrik
(Hendrik Schmidt)

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„Printemps des poètes“ hin oder her, Poesie hat nicht immer gute Presse. Sie ist so etwas wie das letzte Einhorn der Literatur. Ständig ist sie bedroht von der Forderung des unmittelbaren Nutzens, immer lastet auf ihr der Ruch des Elitären und der Unverständlichkeit.

Michèle Vallenthini mvallenthini@tageblatt.lu

Dabei ist Poesie die edelste und höchste Form der Literatur. Nicht zuletzt deswegen, weil sie es durch ihre äußerste Verknappung getreu dem Motto „in der Kürze liegt die Würze“ schafft, komplexe Inhalte in nur wenigen Zeilen zu vermitteln und vor allen Dingen fühlbar zu machen. Romane brauchen dafür Hunderte von Seiten. Und reichen trotzdem nicht an sie heran.

Dennoch steht sie, wie die Kunst im Allgemeinen, unentwegt unter Rechtfertigungszwang. Es stellt sich die Frage nach der alltagsweltlichen Daseinsberechtigung der Lyrik: Hölderlin, Novalis, Baudelaire, Verlaine, Jaccottet? Wer sind die alle? Wozu noch rezitieren, wieso sich Zeit nehmen zum Interpretieren? Und was nützen einem Stanzen, Alexandriner und Reime in Zeiten der Industrialisierung? Kurz: hat etwas traditionell sehr Subjektives wie Lyrik überhaupt noch eine gesellschaftlich-allgemeine Funktion?

Individuelles wird erst dadurch zur Kunst, dass es Anteil am Allgemeinen gewinnt. Es ist also gerade das Eintauchen in das zutiefst Persönliche, das der Poesie ihre gesellschaftliche Relevanz verleiht. In diesem Sinne: Lang lebe die Lyrik.