/ Kulturkampf
Die traditionell wenige Wochen vor der Berlinale stattfindende ungarische Filmwoche wurde in diesem Jahr abgesagt, aus finanziellen Gründen, denn dem Festival wurden alle staatlichen Gelder gestrichen. Die Filmwoche ist nur eines der vielen Opfer im Umstrukturierungsprozess Ungarns, den die Regierungspartei Viktor Orbáns seit ihrer Wahl im Frühjahr 2010, und noch verstärkt mit dem Inkrafttreten der neuen Verfassung zu Beginn dieses Jahres, konsequent durchzieht.
Janina Strötgen jstroetgen@tageblatt.lu
In jedem Bürgermeisteramt liegt sie nun aus, diese neue Verfassung, hinter Glas verschlossen, unantastbar. Begleitend hierzu erinnern im Budapester Stadtschloss von Orbán in Auftrag gegebene und nun fertiggestellte Ölgemälde an ein längst vergangenes, großungarisches Reich. Und der extrem rechte György Dörner, der seit Februar seinen Posten als Intendant des Neuen Theaters in Budapest angetreten hat, ist mit seinem Motto, er werde mit der „krankhaften, liberalen Hegemonie“ an ungarischen Theatern aufräumen und nur noch ungarische Stücke spielen, bereits jetzt zum Symbol der rechten Kulturschlacht in Ungarn geworden. Zu allem Überfluss wird dem einzigen nach dem neuen Mediengesetz noch übrig gebliebenen regierungskritischen Hörfunksender Ungarns, dem Klubrádió, ab März die Frequenz abgedreht. Ein Sender für ungarische Volksmusik bekommt sie stattdessen.
Solidarität mit Minderheiten
Das alles in Europa. Das alles, obwohl die EU-Kommission nun endlich wegen Verletzungen der EU-Verträge Verfahren gegen Ungarn eingeleitet hat. Ein sehr später Warnschrei, der zwar von einigen Europäern wie Daniel Cohn-Bendit mit Leib und Seele herausgebrüllt wurde, weite Teile der ungarischen Bevölkerung aber noch näher an Orbán und sein politisches Gedankengut rücken lässt. Die Protestveranstaltungen in Ungarn sprechen eine klare Sprache: Die Mehrheit der Demonstranten geht auf die Straße, um sich nicht etwa gegen ein sich etablierendes Orbánistan aufzulehnen, sondern um gegen eine Diktatur aus Brüssel, gegen eine europäische Fremdherrschaft zu demonstrieren. Die regierungstreue Tageszeitung Demokrata spricht mit ihrer Schlagzeile „Eine Kontinente übergreifende internationale große Koalition hat sich gegen Ungarn verbündet“ vielen freiheitsliebenden Ungarn aus der Seele.
Es sind die Minderheiten, die unmittelbar unter dem System Orbáns leiden, Sinti und Roma, Homosexuelle, Intellektuelle und Künstler. Sie sind es, die internationale Unterstützung brauchen. Jene, für die im System Orbáns kein Platz ist und die sich noch trauen, sich regierungskritisch zu äußern – sei es durch ihren unangepassten Lebensstil, durch explizite Meinungsäußerung oder durch die Mittel der Kunst. Jene, wie der ungarische Filmregisseur Bence Fliegauf, dessen von einer Mordserie an ungarischen Roma handelnder Film „Just the Wind“ es in den Wettbewerb der diesjährigen Berlinale geschafft hat. Doch ob sein Film nach der Weltpremiere in Berlin auch in Ungarn auf die Leinwand kommen wird, ist fraglich. Seinem Kollegen Béla Tarr, dessen Film „Das Turiner Pferd“ im letzten Jahr in Berlin den Großen Preis der Jury gewann, wurde wegen einer kritischen Äußerung zur Regierung Orbáns die Premiere seines Films in Ungarn verweigert.
In politisch aufgeladenen Zeiten ist es wichtig, dass sich Kulturveranstaltungen wie die Berlinale durch solidarische Gesten klar positionieren. Denn solche Gesten sind ein kämpferisches Zeichen für die freie Kunst, ohne die jedes Festival samt seinem Blitzlichtgewitter sowieso zur Farce mutiert.
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