/ "Krieg" vor der Haustür

Der Erfolg der Sensibilisierungskampagne hielt sich, vorsichtig ausgedrückt, in engen Grenzen. Lärm zu frühmorgendlicher Stunde gehört mittlerweile zur Normalität, es wird nicht mehr nur gepoltert, an den Wochenenden fliegen regelmäßig auch die Fäuste. Massenschlägereien mit Dutzenden Verletzten gehören inzwischen zum festen Programm in der rue de Hollerich (und anderswo).
Léon Marx lmarx@tageblatt.lu
Auch der neue Hauptstadtbürgermeister, Xavier Bettel, versuchte es zunächst mit guten Worten. Doch Geduld ist kein unerschöpfliches Gut. In den nächsten Wochen wird er liefern müssen. Die Entziehung der freien Nächte für eine längere Periode wird ihm keine Freunde einbringen. Nicht bei den Besuchern, und schon gar nicht bei den Betreibern.
Aber die allwöchentlichen Exzesse lassen eigentlich keine andere Option. Im Zweifelsfall besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.
Europa, ein Projekt des Friedens …
Szenenwechsel: Aus der griechischen Hauptstadt Athen erreichen uns seit einigen Tagen Bilder von zusehends ausufernder Gewalt. Mitten in Europa, dort, wo die Wiege von Demokratie und Hochkultur stand, spielen sich Szenen ab, die eher an den Arabischen Frühling erinnern als an ein demokratisches Land im Herzen Europas.
Brennende Häuserzeilen, verzweifelte Bürger, die sich gegen immer neue Sparpakete der Politiker wehren, die anscheinend sie, das Volk, vertreten. Und dazwischen Sicherheitskräfte, die von Selbstzweifeln zerrissen irgendwann möglicherweise sogar die Seite wechseln werden.
Ob diese Bilder vor den TV-Schirmen in der Brüsseler Europa-Zentrale Halt machen? Oder ob die großen EU-Politiker an Realitätsverlust leiden? Tatsache ist doch: Von Tag zu Tag wird deutlicher, dass der von ihnen im November 2011 an die Spitze der griechischen Regierung gehievte Goldman-Sachs-Technokrat Lucas Papademos entgegen den Erwartungen eben doch nicht der bessere Politiker ist, der das Land auf Kurs bringen könnte.
Selbst die oft zu Recht geschmähten Ratingagenturen sehen die drastischen Sparprogramme zunehmend kritisch. Allein mit Austeritätsmaßnahmen lässt sich Griechenland nicht retten. Was das Land braucht, wäre endlich ein Wachstumsprogramm, eine Perspektive, die nicht die des Rückfalls auf Drittwelt-Niveau ist.
Mag sein, dass das, was Europa derzeit erlebt, nicht eine Euro-Krise ist, wie das auch Jean-Claude Juncker immer wieder betont. Mag sein, dass Europa vielmehr unter der Überschuldung einzelner Mitgliedstaaten leidet. Aber ist das im Moment wirklich die zentrale Frage?
Was am Wochenende in Griechenland passierte, hat nichts mehr mit sozialen Unruhen zu tun, wie man sie überall auf der Welt kennt, nein, über Athen hängt ein Hauch von Bürgerkrieg. Dabei sollte Europa in erster Linie ein Friedensprojekt und ein Projekt der Freiheit und Solidarität sein. So jedenfalls verstanden das die Gründerväter, als sie – nach zwei blutigen Weltkriegen – die Grundlage für die heutige EU legten.
Dass diese EU mit ihrer Politik einmal am Ursprung der Implosion eines oder am Ende auch mehrerer ihrer Mitgliedsstaaten stehen könnte, hätte wohl bei der Unterzeichnung der Römischen Verträge 1957 die Vorstellungskraft der Gründerväter überstiegen …
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