Kopf im Sand

Kopf im Sand
(Tageblatt-Archiv)

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Seit einigen Wochen wird ein neues Kapitel von Luxemburgs nicht unbedingt ruhmreicher Geschichte in Sachen Flüchtlingspolitik geschrieben. Titel: "Bollendorf-Pont".

Die Diskussion um die Unterbringung von ursprünglich rund 60 vorgesehenen Asylbewerbern in einem in dem kleinen Ort gelegenen Hotel zeigt nämlich anschaulich, dass die Offenheit und die Gastfreundlichkeit Luxemburgs ganz klare Grenzen kennt.

Tom Wenandy twenandy@tageblatt.lu (Bild: Tageblatt/Alain Rischard)

Wenn die Proteste einer Bürgerinitiative mit Unterstützung des Bürgermeisters aus menschlicher und moralischer Sicht (vor allem hinsichtlich verschiedener in den Medien gemachten Aussagen) sehr bedenklich (um nicht zu sagen zu verurteilen) sind, so ist doch nachvollziehbar, dass man in der Ost-Gemeinde gegen die aktuelle Politik in Sachen Unterbringung von Flüchtlingen revoltiert.

Politische Praxis

Denn die diesbezügliche gängige politische Praxis beschränkt sich darauf, ohne größere Vorankündigung geschweige denn Diskussion die jeweiligen Kommunen vor vollendete Tatsachen zu stellen. Allen Sonntagsreden und Beschwichtigungen zum Trotz steht zweifelsfrei fest, dass in diesem Dossier die Regierung, allen voran die zuständige Familienministerin, klar versagt haben. Eine nationale Strategie, ein koordinierter Plan? Fehlanzeige! Und dies über Jahre hinweg.

Sicherlich gibt es in der Politik angenehme und weniger angenehme Felder und Themen. Asyl- und Flüchtlingspolitik gehört sicher zu letzteren. Dies kann aber allenfalls eine Erklärung und keine Entschuldigung sein, warum das Problem der sich in Luxemburg aufhaltenden Asylbewerber bislang nicht konstruktiv und konsequent angegangen wurde. Das Problem, auch wenn es periodisch abflacht und zeitweise weniger akut ist (bzw. zu sein scheint), wird nicht dadurch gelöst, dass man den Kopf in den Sand steckt.

Nicht so einfach

Aber Vorsicht. Zu einfach sollte man sich die Sache denn doch nicht machen. Es ist nämlich eine Utopie, zu glauben, dass wenn die Regierung vorangehen und eine nationale Diskussion mit den involvierten Akteuren (Gemeinden, Nichtregierungsorganisationen) anregen würde, sich alle Probleme bezüglich einer dezenten Unterbringung und einer adäquaten Betreuung über Nacht von selbst lösen würden. Denn auch wenn die zum Beispiel von den Grünen angeregte Idee von über das ganze Land verteilten kleinen Auffangstrukturen in der Theorie sehr attraktiv zu sein scheint, so darf man nicht aus den Augen verlieren, dass eine geografisch „gerecht“ verteilte Unterbringung nicht möglich ist. Wenn es nicht der Tourismus ist, der als Argument (oder als Vorwand?) benutzt werden wird, dann werden in anderen Teilen des Landes andere Bürger andere Gründe anführen, warum sie gegen Flüchtlinge in ihrer Gemeinde sind.

Genauso falsch wie die Annahme, man könnte das Problem der Unterbringungen mal so einfach durch einen kleinen Plausch aus der Welt schaffen, ist es aber auch,zu glauben, dass die Lösung darin liegt, möglichst viele Flüchtlinge möglichst schnell wieder loszuwerden. Die undifferenzierte Rückführung von Asylbewerbern unter dem Deckmantel einer Liste von „sicheren“ Herkunftsländern erscheint der hiesigen Regierung (vielleicht auch hinsichtlich einer luxemburgischen Wählerschaft) ein probates politisches Mittel (siehe Erklärung zur Lage der Nation von Premier Jean-Claude Juncker am vergangenen Mittwoch), ist aber in Wirklichkeit sowohl menschlich als auch rechtlich bedenklich. Vor allem aber ist diese Art der Politik gefährlich: Vorurteile und Ablehnung gegen Asylbewerber, aber auch gegen andere „Fremde“ könnten hierdurch zunehmen, rechte Rattenfänger sich in ihrer Meinung bestätigt sehen. Die soziale Kohäsion riskiert zuerst, vielleicht nur punktuell, will heißen lokal (Stichwort Bollendorf-Pont), dann aber allgemein in Gefahr zu geraten.

Individuelle Lösungen nötig

Über jeden Asylantrag muss individuell befunden werden, Luxemburg steht in der Pflicht, verfolgten Menschen Schutz und Hilfe zukommen zu lassen. Und solche Menschen – ja, es sind Menschen! – wird es – leider – immer geben. Heute sind es Roma aus Serbien, morgen vielleicht andere Bevölkerungsgruppen aus anderen Ländern: An der Ausarbeitung eines schlüssigen nationalen Gesamtkonzepts führt demnach kein Weg vorbei.