Kein Öl und keine Ideen

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Wir befinden uns im fünften Jahr nach der Pleite von Lehman Brothers, und so langsam müsste man in Europa eigentlich so weit sein, den Menschen eine zukunftsträchtige Perspektive anbieten zu können.

Doch auch nach dem gefühlt 135. EU-Gipfel zur angeblichen Rettung Griechenlands wird stets das Mittelmeerland in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Als ob es nicht auch andere, genauso wichtige, um nicht zu sagen existenzielle Themen gäbe.

Sascha Bremer sbremer@tageblatt.lu

Dies hat einerseits natürlich damit zu tun, dass tatsächlich diese Woche in puncto Griechenland viel auf dem Spiel stehen wird. Bis zum Donnerstag müssen die privaten Investoren zustimmen, auf 107 Milliarden Euro zu verzichten. Ansonsten könnte Athen sie dazu zwingen, was dann andere Konsequenzen nach sich ziehen würde. Doch ganz egal, wie diese Woche ausgehen und ob Griechenland tatsächlich in der Eurozone verbleiben sollte, Europa wird sich noch auf Jahre hinaus um das Mittelmeerland intensivst kümmern müssen.

Andererseits wirbeln die „Rettungsaktionen“ um Griechenland dermaßen viel medialen Staub auf, dass Europas Bürger – zumindest die, die nicht im Schlamassel stecken – manchmal vergessen, wie planlos die jetzige Staatschef-Riege um Angela Merkel in puncto Wirtschaftsstrategie agiert. Europa hat nicht nur kein Öl, sondern seinen Politikern sind auch die Ideen ausgegangen.

Die Austerität, ein einziger Fehlschlag

Man muss sich die berechtigte Frage stellen, ob die von einer Freier-Markt-Ideologie durchdrungene EU-Kommission und die von ebensolchen Ideologen beherrschten Regierungen der großen EU-Länder zu einem intellektuellen Kraftaufwand in Richtung Wachstumspolitik überhaupt fähig sind.

Was wird benötigt, damit Frau Merkel und Konsorten begreifen, dass sowohl der absolut freie Markt als auch die angeblich wachstumsfördernde Austeritätspolitik zu weiter nichts als der jetzt schon festzustellenden Vertiefung der europäischen Misere führen werden? Es gibt auch andere Wege, mehr als wahrscheinlich sogar bessere, um die Wirtschaft wieder wachsen zu lassen und auch zukunftsfähig zu machen. Nur muss man mit dem Dogma aufräumen, dass jedes Defizit, jede staatliche Intervention in den Wirtschaftskreislauf per se schlecht ist.

Man scheint in Berlin nicht zu verstehen, dass es nicht genügt, die deutschen Rezepte einfach so auf die europäische Ebene zu übertragen. Es reicht schlicht und einfach nicht, auf der einen Seite den Bürgern alles zuzumuten, sie mit immer weiteren debilen Gesetzen zu gängeln, jedoch sich im Feld der Wirtschaft jegliche Intervention zu untersagen. Das geht nur mit dem deutschen Michel und das wohl auch nur eine gewisse Zeit.

Komischerweise scheinen alle Länder und Regionen der Welt, die sich im Aufschwung befinden, eine in Bezug auf Europa diametral entgegengesetzte Wirtschaftspolitik zu haben: eine staatlich unterstützte, oft vorgedachte und konsequent verfolgte Wirtschaftspolitik. Sogar in puncto Industrie. Ist hier wirklich nichts zu machen in Europa?

Seltsamerweise nötigt einem in Europa von allen Institutionen momentan die EZB den meisten Respekt ab – gerade weil die sonst so als ultrakonservativ verschrienen Notenbanker sich, zumindest übergangsweise, aus ihrem ideologischen Korsett befreit haben.

Bislang allerdings waren Merkel und Co. nicht für ihren politischen Mut, sondern nur für ihre schlechte Verwaltung bekannt.