Kaufkraft erkämpfen

Kaufkraft erkämpfen
(Tageblatt-Archiv)

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Es gab Zeiten in Luxemburg, da war der 1. Mai praktisch ein reiner Feiertag. Nach fünf Jahren Krise wird dies 2013 nicht der Fall sein. Zu groß sind die Herausforderungen, denen die Gewerkschaften sich zu stellen haben.

Mit wenig bis überhaupt keiner Unterstützung aus dem politischen Lager schwimmen sie gegen den neoliberalen Strom und müssen sich zudem mit schwelenden Konflikten wie etwa dem im Bausektor plagen, wo die Zeichen auf Sturm stehen.

Dabei darf nicht einmal auf hohem Niveau geklagt werden: Vergleicht man das Luxemburg des Jahres 2013 beispielsweise mit jenem von vor 40 Jahren, so stimmt es wohl, dass die Einkommen einen drastischen Sprung nach oben gemacht haben; allerdings ist dieser Lohnzuwachs nicht unbedingt mit mehr Kaufkraft verbunden.

Der Jahreslohn – etwa eines Schmelzarbeiters – reichte so in den 50er und 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts zum Kauf eines Bauplatzes für das Eigenheim. Heute reicht der Jahreslohn eines mittleren bis höheren Staatsbeamten gerade mal dazu, ein Ar des gleichen Terrains zu kaufen.

Damit ist einer der gesellschaftlichen Problembereiche denn auch gleich ziemlich genau beschrieben. Wer nicht das Glück hat, Eigenheimbesitzer zu sein, der investiert seine Kaufkraft hauptsächlich in Miete oder Schuldzins. Die Schuldnerberatung von InterActions wird von einer zunehmenden Zahl von jungen Wohnungseigentümern in Anspruch genommen, die wegen der allzu langen Wartelisten für eine Sozialwohnung und überhöhter Mieten den Schritt zum Kauf trotz der langen Kreditlaufzeit (meist 30 Jahre) wagen, die Kredit- und sonstige Kosten unterschätzen und so in arge Zahlungsnot kommen. Dabei sind die Zinsen zurzeit auf Rekordtief: die Luxemburger Form der Immobilienblase

Die von Juncker angekündigte Abschaffung der „Bonification d’intérêt“, einer Hilfe für Wohnungskäufer, wird die Lage sicherlich nicht entschärfen. Dass jahrzehntelang keine offensive Wohnungsbaupolitik gemacht wurde, rächt sich in einem Land, das seine Einwohnerzahl während der vergangenen Dezennien fast verdoppelt hat. Sozial verschärfend hinzu kommt der wachsende Unterschied zwischen Arm und Reich, der sich laut der jüngsten Rede zur Lage der Nation noch weiter verstärken wird.

Alte und neue Sparmaßnahmen

Die angekündigten Sparmaßnahmen addieren sich zu jenen, die dem gegen Lohn arbeitenden Bürger bereits heftig auf den Geldbeutel drücken, während das Kapital und die Gewinne aus diesem weiterhin wenig besteuert wachsen dürfen. Dabei erhält mittlerweile jeder sechste Arbeitnehmer im Großherzogtum lediglich den Mindestlohn. Dass die Wirtschaft sich unter solchen Bedingungen erholen soll, glaubt selbst der Internationale Währungsfonds nicht mehr so richtig.

Die Gewerkschaften – wie oben gesehen fast allein in ihrem Bestreben nach einer anderen Politik – werden also zum 1. Mai kämpferisch aufgelegt sein (müssen), um ihrem Anspruch, die Interessen der arbeitenden Menschen zu verteidigen, gerecht zu werden.

Und das werden sie auch sein. Etwa in Neumünster, wo der OGBL den ganzen Tag über das Fest der Kulturen und der aktiven Demokratie veranstaltet, bzw. bereits am 29. April im Limpertsberger „Tramsschapp“, wo die politischen Ansprüche im Jahr der Sozialwahlen von der Gewerkschaft formuliert werden.