Immer noch Arbeitskampf

Immer noch Arbeitskampf
(Tageblatt-Archiv)

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Aktuelle Beispiele harter Verhandlungen.

Manchmal klingt Arbeitskampf schrecklich altmodisch. Gewerkschaftler, die mit ihren roten Fahnen und Trillerpfeifen auf die Straße gehen. Gewerkschaftler, die einen höheren Mindestlohn fordern. Gewerkschaftler, die am 1. Mai das Fest der Arbeit feiern. Proteste und Forderungen, ewig das Gleiche.

Dass der Arbeitskampf jedoch mitnichten der Vergangenheit angehört, hat sich in den letzten Monaten mehrfach gezeigt. In gleich mehreren Branchen wird ein neuer Tarifvertrag ausgehandelt, und, wie sich herausstellt, ist das nicht so einfach.

Ein Schauplatz ist der Bankensektor. Dort soll ein gänzlich neuer Kollektivvertrag entstehen. Ein moderner, der modernen Technik und Arbeitsweise angepasster Kollektivvertrag, wie es seitens des Bankenverbandes ABBL heißt. Klingt erst einmal gut. Tatsächlich aber kam es zu einem Kräftemessen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Es kam zu Arbeitnehmerprotesten, weil die Arbeitgeber der Auffassung waren, die anstehende Juni-Prämie der Bankangestellten müsse nicht bezahlt werden. Schließlich gab es keinen „neuen modernen“ Kollektivvertrag, sondern der altbewährte Kollektivvertrag wurde erst einmal verlängert.

Viel kompliziertere Auseinandersetzungen gibt es im Sozial- und Gesundheitsbereich. Hier wurden nach Jahren und Monaten der Auseinandersetzung in der letzten Woche, nach langem Ringen, Fortschritte erzielt.

Arbeitskampf ist deshalb notwendig, weil es zwischen Arbeitnehmern (die die Arbeitskraft geben) und Arbeitgebern (die die Arbeitskraft nehmen) ein Ungleichgewicht gibt. In der Theorie ist der Arbeitsvertrag eine Vereinbarung zwischen zwei Parteien. Die eine verpflichtet sich, ihre Arbeitskraft, ihre Muskeln oder ihr Gehirn und vor allem ihre Zeit zur Verfügung zu stellen. Die andere verpflichtet sich, dies zu entlohnen.

In der Realität aber sind die Parteien nicht gleich stark. Das zeigt sich schon daran, dass Arbeitnehmer sich bei Arbeitgebern bewerben müssen, und nicht umgekehrt. Die Abeitgeber/Unternehmen haben mehr Verhandlungsmacht, sie verfügen über die seltene Ressource Arbeit, von der die Arbeitnehmer abhängig sind. Letztere müssen in einen Konkurrenzkampf treten und um die Arbeit wetteifern. Sie müssen sich immer besser (auf eigene Kosten) ausbilden lassen, um attraktiv zu sein für den Arbeitsmarkt.

Zu viele Betriebe halten sich nicht an Tarifverträge. Zu viele Betriebe reizen das Arbeitsrecht bis an die Grenzen aus und kalkulieren mit Arbeitskraft wie mit jeder x-beliebigen Ressource. Menschen sind aber kein Kapital. Menschen sind kein Arbeitsgerät, das in einer Fabrik oder einem Büro ohne Rücksicht optimiert werden kann.

Zu viele Menschen erhalten nur den Mindestlohn. Trotz Abschlüssen und Berufserfahrung. Trotz Fortbildung – „lifelong learning“, wie es heute genannt wird. Es herrscht ein Klima von Konkurrenz und Wettbewerb.

Eine bessere Verhandlungsposition können die Arbeitnehmer aber nur erlangen, wenn sie sich zusammentun und gemeinsam ihre Interessen vertreten. Wenn sie gemeinsam gegen Missstände vorgehen. Deshalb ist Arbeitskampf auch immer eine gemeinschaftliche Aufgabe. Die Arbeitgeberseite tut dies. Die Arbeitnehmerseite kann dies auch. Zum Beispiel über die Gewerkschaften. Oft hilft es aber bereits, den Menschen im Büro nebenan nicht als Gegenspieler wahrzunehmen, sondern als Verbündeten.

Diese Aufgabe ist aber, auch heute noch, auch in Luxemburg, nicht abgeschlossen.

ygreis@tageblatt.lu