Im Bett mit Gaddafi

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Noch ist nicht gewiss, ob Muammar al-Gaddafi sich in Libyen an der Macht halten kann. Eines jedoch scheint bereits klar: Sollte der „Revolutionsführer“ obsiegen, wird er von der internationalen Gemeinschaft ausgeschlossen werden.

Aber ist das wirklich so sicher? Wirft man einen Blick auf die Geschichte und die zwischenzeitlichen politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen, um nicht zu sagen Verquickungen des Gaddafi-Libyens mit dem Westen, darf man zumindest daran zweifeln, dass ein solches Szenario eine Ewigkeit Bestand haben wird. Gaddafi war nämlich schon einmal der Paria der westlichen Welt.

Sascha Bremer
sbremer@tageblatt.lu

Der „tollwütige Hund“ (dixit Ronald Reagan) wurde wegen Unterstützung weltweiter terroristischer Aktivitäten an den Pranger gestellt. Das brachte ihm 1986 – lang, lang ist es her – einen US-Luftschlag gegen seine Paläste ein. Es gab zwar Opfer, Gaddafi aber passierte nichts.

Man kann davon ausgehen, dass Gaddafi nicht als direktes Ziel der Luftschläge galt. Der „tollwütige Hund“ sollte wohl nur durch die Bomben nachträglich „geimpft“, seine „Krankheit“ sozusagen eingedämmt werden. Die USA stellten Libyen zusätzlich unter ein Embargo, das von so manch westlichem Konzern umgangen wurde.

Als in den neunziger Jahren der internationale Terrorismus unter Al-Kaida und dem algerischen FIS eine islamistische Nase bekam, gewann der immer noch schrullige, aber inzwischen scheinbar gezähmte Diktator für den Westen wieder zunehmend an Wichtigkeit.

Der ehemalige Pate des Terrorismus wurde quasi über Nacht im Jahre 2005 zum Partner im „Kampf gegen den Terror“. Dazu hatte sicherlich auch beigetragen, dass die großen Ölmultis gleichzeitig damit begannen – welch ein Zufall –, die gigantischen Vorkommen in Libyen zu erschließen. So mauserte sich Gaddafi langsam, aber sicher vom „Drecksack“ zu „unserem Drecksack“.

Etliche europäische Regierungen haben nicht nur mit dem libyschen Regime über Themen wie Immigration und Terrorabwehr verhandelt, sondern den selbst ernannten „König der Könige“ seit gut fünf Jahren regelrecht hofiert. Besonders Silvio Berlusconi, Tony Blair und Nicolas Sarkozy haben sich in diesem Bezug als erstklassige Speichellecker hervorgetan.

Unter dem Deckmantel der Realpolitik verkaufte Europa – zum wiederholten Male – seine Seele und schloss eine ganze Reihe von lukrativen Geschäften ab. Darunter fielen wie selbstverständlich auch Waffendeals, für die sich Gaddafi heute bedanken dürfte.

Wie sehr er „unser Drecksack“ wurde, sieht man daran, wie abhängig wir vom libyschen Erdöl inzwischen geworden sind. Allerdings – welch zynisch-finanzieller Geniestreich – öffneten Europas Konzerne im Gegenzug die Tür für all die libyschen Petrodollars.

Durch den libyschen Staatsfonds, der durch die Erdöl-Gelder gespeist wird, und andere Kanäle haben sich der Diktator und seine Sippe ein stattliches Portfolio an Firmenbeteiligungen quer über den Kontinent zusammengestellt. Wohlgemerkt: Gaddafi bunkert nicht nur sein Geld bei uns, er investiert es hier.

Petrodollars stinken nicht sehr

Laut verschiedenen Medienberichten hält Gaddafi u.a. Beteiligungen an der Pearson-Mediengruppe, an der Royal Bank of Scotland oder an Fiat. Des Weiteren ist auch von Aluminium-Geschäften in Russland, einem europaweit funktionierenden Tankstellennetz und einer fast achtprozentigen Beteiligung an der italienischen Unicredit die Rede. Letztere verfügt übrigens über eine Tochtergesellschaft in Luxemburg. Nicht zu vergessen, dass einst auch aus libyscher Sicht Interesse an der Übernahme der Kaupthing-Bank bestand.

Angesichts des drohenden Endes von Gaddafi geht durch einige europäische Chefetagen ein Seufzer. Eine Sache ist die Einfrierung von Gelddepots bei den Banken, eine andere die Verfahrensweise, wenn es um Kapitalbeteiligungen geht. Allerdings gehen die Geschäfte auch weiter und man weiß demnach nicht, sollte das Regime stürzen, wo die Petrodollars aus Libyen morgen hinfließen werden. Was natürlich in den Konzernen zu zusätzlichem Kopfzerbrechen führt.

Nicht auszudenken,wenn die Libyer das schöne Geld zum Wiederaufbau ihres Landes brauchen würden.