Ich bin nicht Gambia

Ich bin nicht Gambia
(Tageblatt)

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Ich mag, nach diesem fürchterlichen Anschlag auf die Pressefreiheit, "Charlie" sein, weil in Europa nach Jahrtausenden politischer und religiöser Unterdrückung keine Meinung, kein Glaube, kein Dogma mehr "heilig" sein darf. Aber ich bin nicht "Gambia".

Es gibt in Luxemburg keine Zustände, die irgendwie mit den gambischen in Verbindung gebracht werden könnten. Wir leben in demokratischen Verhältnissen, gehören wirtschaftlich und sozial zu den leistungsfähigsten Ländern dieser Welt und sind durchaus bereit, positive Entwicklungen auch im armen Westafrika zu fördern.

Wenn ich der Luxemburger Regierung die Fähigkeit zutraue, soziale, liberale und grüne Komponenten in eine zielstrebige, zukunftsorientierte Planung einzubringen, bekenne ich mich nicht zu „Gambia“, sondern zu einer sozialliberalen, die Umwelt achtenden Ausrichtung der Politik.

Das Unwort „Gambia“ in der parteipolitischen Auseinandersetzung stammt natürlich aus dem schwarzen Lager. Im Wort wurde am 16. Oktober 2013, kurz vor den Wahlen, eine Dreierkoalition aus LSAP, DP und „gréng“ in Aussicht gestellt. Diese könnte man nach deutschem Muster (schon wieder!) „Gambia“ nennen, wegen der Parteifarben Rot, Blau und Grün, die auf Gambias Fahne prangen, wurde den Lesern maliziös angeboten.

Seither ist die sozialliberale Koalition ihrer politischen Etikette beraubt. Jean Hamilius, dessen Erinnerungen seit kurzem in Buchform vorliegen, war stolz, als Minister unter Thorn in einer sozialliberalen Koalition (so nennt er sie) gedient zu haben. Damals wurde von derselben, von der schwarzen Seite versucht, sozialliberal mit links und links mit falsch, unsicher, schlecht, zu belasten, was auch teilweise gelang.

Worte und deren Bedeutung, und über die rein sachliche Bedeutung hinaus das vermittelte Bild, können über einen längeren Zeitraum wirken wie ein tropfenweise verabreichtes Gift. Rot-Blau-Grün ist nicht mehr die stolze Neuauflage einer sozialliberalen Mitte-links-Koalition, die Luxemburg von CSV-Willkür, den CSV-Fehlern und dem CSV-Mief der letzten Jahrzehnte befreit, Rot-Blau-Grün ist nur noch „Gambia“, pfff.

Uns interessiert, ob die sozialliberale Koalition, die derzeit als „Gambia“ in der Tageblatt-Meinungsumfrage jede Menge Hiebe bekommt, sich nach ihrem ersten, von zahlreichen Kommunikations- und Aktivismusfehlern geprägten Jahr, zu ihrem politischen Wesen zu bekennen weiß.

Sozialliberal, von der liberalen Warte her gesehen, heißt, dass der ausgleichenden sozialen Gerechtigkeit eine Kernrolle bei der Gestaltung einer freiheitlichen Gesellschaft zukommt.

Diese Positionsbestimmung innerhalb des liberalen Gedankengutes ist es, die eine Annäherung der DP an ehrgeiziges sozialdemokratisches Streben, so wie wir es bei der LSAP voraussetzen, ermöglicht. Grüner Input, wenn er praxisgerecht daherkommt, ist dann bereichernd!
Wenn die sozialliberale Koalition aus ihrem Missgeschick gelernt hat, wird sie ab sofort nie mehr aus der Hüfte schießen wie bei ihren unausgegorenen Budget- und Sparübungen.

Es ist seitens der möglichen Gestaltungspartner für eine weitsichtige Politik noch immer viel guter Wille vorhanden.

Wir gehen davon aus, dass die roten Linien auf dem sozialen Feld inzwischen klar sichtbar sind.

Und dass die gesellschaftspolitischen Reformen weder aufgeschoben noch verwässert werden!