Hohe Erwartungen

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Der Erwartungsdruck auf die am kommenden Sonntag stattfindenden Gipfeltreffen der EU und der Eurozone nimmt täglich ebenso zu wie die Spekulationen darüber, was dort alles entschieden werden müsste oder könnte.

Vor allem die Euro-Staaten müssen dieses Mal liefern. Bei mindestens zehn Treffen seit Februar 2010 haben sich die Staats- und Regierungschefs der Währungszone mit der Schuldenkrise im Allgemeinen und jener in Griechenland im Besonderen bislang beschäftigt. Und doch scheint es, als seien sie kaum vorwärtsgekommen.

Guy Kemp gkemp@tageblatt.lu

Mittlerweile im Wochentakt treiben Ratingagenturen und in deren Gefolge die internationalen Finanzmärkte die 17 Euro-Staaten vor sich her, was in der Praxis mit Steuergeldern zu begleichende höhere Zinszahlungen für die herabgestuften Länder und Mehreinnahmen für die Geldgeber bedeutet. Bislang waren die agierenden EU-Politiker vor allem darauf bedacht, mit ihren Maßnahmen die Märkte zu „beruhigen“. Doch sind diese nicht ruhigzustellen. Im Gegenteil: Sie sind darauf aus, Beute zu machen, möglichst fette Beute. Sie profitieren von dem durch die Prognosen und Urteile der Ratingagenturen genährten Abwärtssog, in dem sich die Euro-Staaten befinden.

Dazu tragen ebenfalls Wetten gegen die Euro-Staaten, also der Handel mit Kreditausfallversicherungen bei, mit denen sich nur Geld verdienen lässt, wenn die schlimmsten Szenarien Realität werden. Das bedeutet, dass alles, was dazu beiträgt, dass ein Land Gefahr läuft, seine Schulden nicht mehr zahlen zu können, gut für die Beteiligten an solchen Wetten ist. Diesem Treiben ein Ende zu setzen, müsste Teil einer Lösung sein, um der Schuldenkrise beizukommen.

Schuldenschnitt unvermeidlich

Was Griechenland anbelangt, hat sich nun immerhin die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Land niemals so viel einsparen, staatliches Personal entlassen und in kürzester Zeit derart viel Staatsbesitz veräußern kann, als dass es damit seinen Schuldenberg kurzfristig deutlich reduzieren könnte. Ein Schuldenschnitt scheint demnach unausweichlich zu sein. Darauf wird sich denn auch vorbereitet, vor allem was die Entschädigung jener Banken angeht, die einen hohen Anteil an griechischen Staatsanleihen halten. Dabei dürfte es darauf hinauslaufen, dass die Euro-Staaten, also die öffentliche Hand, wieder mit Krediten und Garantien den betroffenen Geldhäusern zur Seite stehen wird. Ob sich der luxemburgische Premierminister und Eurogruppen-Vorsitzende Jean-Claude Juncker dieses Mal mit seiner jüngst erhobenen Forderung, dass in solchen Fällen die Staaten ebenfalls an der Verwaltung und den Gewinnen der Banken beteiligt werden müssten, Gehör verschaffen kann, bleibt abzuwarten. Angesichts des steigenden Unmuts auch in der europäischen Gesellschaft über das Gebaren der Finanzwelt (siehe die aus den USA nach Europa übergeschwappte Occupy-Bewegung) dürfte das Juncker’sche Verlangen, wenn die 17 auch nur ein Quäntchen an Gefühl für die Stimmung in ihren Ländern übrig haben, kaum für allzu viel Gegenrede sorgen.

Zudem könnte am Sonntag eine weitere Änderung des Lissabon-Vertrages angeschoben werden, zum einen, um die wirtschaftspolitische Steuerung der Eurozone zu verbessern. Zum anderen, um der EU mehr Eingriffsrechte in Sachen nationale Haushaltsdisziplin einzuräumen. Das bisherige Modell, nach dem die Staaten der gemeinsamen Währungszone in ihrem Gremium, der Eurogruppe, selbst für die Einhaltung der Defizit- und Schuldenkriterien sorgen sollten, mündete, wie nun hinlänglich bekannt, in der jetzigen Krise.