Giftige Kröte?

Giftige Kröte?

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Für den Philosophen Arthur Schopenhauer ist er eine „giftige Kröte“, für William Shakespeare ein „grünäugiges Monster“. Und bereits im alten Rom wurde der Neid als der verwerflichste und niedrigste Affekt des Menschen überhaupt gehandelt.

Als eine der sieben Todsünden wurde die Invidia als Charaktereigenschaft des Teufels verteufelt. Und bereits im alten Rom wurde der Neid als der verwerflichste und niedrigste Affekt des Menschen überhaupt gehandelt. Als eine der sieben Todsünden wurde die Invidia als Charaktereigenschaft des Teufels verteufelt.

Janina Stroetgen jstroetgen@tageblatt.lu

Auch heute gilt Neid als uncool, ist er in der Gesellschaft nicht akzeptiert. Denn was gibt es unsympathischeres als neidische, missgünstige, sich ewig zu kurz kommend fühlende Menschen? Neid: Was für eine verabscheuungswürdige Charaktereigenschaft!

Und doch kennen wir ihn alle. Das Kleinkind im Sandkasten ist neidisch auf die größere, schönere, buntere Schaufel seines Spielgefährten, der Schüler auf die besseren Noten seines Banknachbarn, das Mädchen auf die glänzenderen Haare seiner Freundin, der Mann auf das schnellere, teurere und schickere Auto seines Nachbarn und der Arbeiter auf die Gehaltserhöhung seines Kollegen. Neid ist omnipräsent, Begriffe wie „Neidgesellschaft“, „Sozialneid“, „Geldneid“, gar „Penisneid“ gehören zu unserem alltäglichen Sprachgebrauch. Der Neid ist so alt wie die Menschheit selbst. Und wird seit jeher verteufelt, bekämpft und vor allem verleugnet.

Außer natürlich von jenen, die beneidet werden. Für die Beneideten ist Neid als „umgekehrtes Mitleid“ (David Hume) nicht selten eine ehrliche Form der Anerkennung. Denn während man Mitleid geschenkt bekommt, muss man sich Neid verdienen. Hart verdienen. Neid ist also auch ein Motor, der für Ehrgeiz und damit für Leistung und Fortschritt in einer Gesellschaft arbeitet. Und noch viel wichtiger: Neid kann auch ein Ausdruck ungerechter Behandlung und damit Triebfeder für den Kampf um mehr Gerechtigkeit sein.

„I want my money back!“

„I want my money back!“ Der Slogan der Occupy-Bewegung ist ein Beispiel für diese Art des gerechten Neides. Wo ist es hin, das liebe Geld, das keiner mehr hat und jeder dem anderen schuldet?

Die Antwort liefern die Demonstranten gleich mit: Es wurde verzockt, von Spekulanten, von Spielern, die ihr Geld nicht produktiv erarbeiten, sondern es sich auf Kosten anderer ergaunern. Und zu allem Überfluss werden die Zocker auch noch durch ihre Waghalsigkeit und ihre Risikobereitschaft mit Lust beschenkt und Geld belohnt. Jeden Tag ein neuer Kick, von dem der ehrliche Arbeiter nicht einmal zu träumen wagt, in seinem mühseligen Trott des alltäglichen Broterwerbs. Kein Wunder, dass der Kleinverdiener und Sparer dem Zocker und Spekulanten sowohl das Geld als auch die Lust missgönnt!

Doch wo endet das Gefühl, dass die Welt ungerecht ist, und wo beginnt der Neid? Die Antwort ist eigentlich erstaunlich klar.

Rebelliert unser Gerechtigkeitssinn gegen „die da oben“, gegen diese unsichtbare, mit dem Begriff des Turbokapitalismus zu fassen versuchende Macht, dann ist der Neid gesund. Und produktiv, da er zum Katalysator für Empörung wird und vielleicht irgendwann auch zu mehr Gerechtigkeit führen kann. Beneidet der luxemburgische Frisör aber den französischen Frisör für seine ein paar Jahre früher beginnende Rente oder der deutsche Gärtner den griechischen Gärtner für die warmen Temperaturen und den Sonnenschein am Arbeitsplatz, dann wird es gefährlich.

Denn dann kippt der Kampf um mehr Gerechtigkeit ins Gegenteil, dann findet der Kampf unter Gleichen statt. Und die für mehr Gerechtigkeit unabdingbare Solidarität bleibt auf der Strecke. Gefahr, diesem Neid zu verfallen, lauert nicht nur in der menschlichen Natur an sich, sondern wird auch noch dadurch gefördert, dass die Mächtigen die Frisöre oder Gärtner verschiedener Länder gerne gegeneinander ausspielen.

Der amerikanische Essayist Joseph Epstein kommentierte: „Neid ist die einzige Todsünde, die keinen Spaß macht.“ Das einzige, was dagegen hilft, ist die Solidarität gegenüber Gleichen und die basisdemokratische Kontrolle der Mächtigen.