/ Freihandel als Einbahnstraße
Boeing und Airbus sind seit der Gründung des europäischen Unternehmens im Jahre 1970 erbitterte Rivalen. Auf dem Gebiet der Passagierjets haben die Flugzeugbauer aus Toulouse seit 2001 mehr als einmal die Nase vorn behalten, was die innerhalb eines Jahres verkauften Maschinen angeht. Auch am Himmel über den USA sind etliche Airbusse unterwegs.
Doch EADS, die Muttergesellschaft von Airbus, baut nicht nur Zivilflugzeuge, sie ist auch in der Militärluftfahrt sehr aktiv. Und auf diesem Markt haben es die Europäer in den USA traditionellerweise besonders schwer.
Ein Leser von Flight International, der ältesten Luftfahrt-Zeitschrift der Welt, hat es jüngst auf den Punkt gebracht: „Die USA sind für den freien Welthandel, solange dieser zu ihren Gunsten verläuft“, schrieb der Reverend (die verstehen ja was von himmlischen Dingen) Craig Smith aus Neuseeland. In der Tat war bekannt, dass die US-Luftwaffe für die Erneuerung ihrer Luftbetankungsflotte Airbusse bevorzugt hätte. Hauptsächlich aus protektionistischen Gründen (und dies, obwohl diese 179 Tanker in einem neuen Airbus-Werk in den USA gebaut worden wären) wurde der Deal gekippt, und die Air Force muss nun wieder schön brav bei ihrem Hauslieferanten Boeing shoppen.
Staatliche Hilfe über Umwege
Für uns Europäer ist das „buy american“ seit dem Zweiten Weltkrieg selbstverständlich: Und wenn die Amerikaner das bessere Produkt anbieten, ist auch nichts dagegen einzuwenden. Erinnern wir uns an den „Marché du siècle“ aus den 1970er Jahren, als mehrere europäische NATO-Partner sich zusammentaten, um neue Jagdflugzeuge zu kaufen.
Damals setzten sich die Amerikaner mit ihrer F-16 gegen die französische Mirage F1 durch. Sehr zum Unmut der Franzosen. Doch 40 Jahre später muss man anerkennen, dass die F-16 immer noch gebaut wird, während die F1 seit 2003 nicht einmal mehr bei der „Armée de l’air“ selbst im Einsatz steht.
Wenn aber – wie im Tankerwettbewerb – die Europäer das bessere Produkt anbieten, heißt das noch längst nicht, dass Washington es auch ordert. Und wenn es einmal doch so weit kommt, ist mit massivem Sperrfeuer von Politikern und Industrielobbyisten zu rechnen. Laut Flight bezeichnete einer der Chefs des US-Helikopterfabrikanten Sikorsky die italienische Konkurrenz von AgustaWestland unlängst als „sozialistische Firma aus einem sozialistischen Land“. Der Republikaner Duncan Hunter, seines Zeichens zwischen 2002 und 2008 Chef des Streitkräfteausschusses des Repräsentantenhauses, hatte sogar versucht, dem US-Militär die Erteilung von Aufträgen an ausländische Anbieter kurzerhand per Gesetz verbieten zu lassen.
Der Tatbestand des „Sozialismus“ ist in den Augen vieler Amerikaner bereits dann erfüllt, wenn, wie im Falle Airbus, staatliche Unterstützung für den Aufbau einer Industrie gewährt wird. Dabei wird der US-Luftfahrtsektor ebenfalls massiv vom Staat gefördert: Die staatliche Stütze ist auf beiden Seiten des Atlantiks als Forschungs- und Entwicklungshilfe getarnt, oder sie fließt über den Umweg restlos überteuerter Rüstungsdeals bzw. von Steuergeschenken.
Das hat übrigens die Welthandelsorganisation WTO, die im Juni 2010 Airbus an den Pranger gestellt hatte, vergangene Woche auch der Firma Boeing offiziell angekreidet. Bei Airbus hielt sich die Genugtuung über diese Verurteilung der Rivalen allerdings in Grenzen: Zu dem Zeitpunkt war das Tankergeschäft nämlich schon längst futsch.
- Roland Breyer, ein Leben im Dienst der Gemeinde - 17. September 2020.
- Roland Breyer, ein Leben im Dienst der Gemeinde - 17. September 2020.
- Klimafreundliche Mobilität - 13. September 2020.