Flucht in die Gewalt

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Letzte Woche spielte der luxemburgische Fußballmeister Jeunesse Esch zu Hause gegen den schwedischen Verein AIK Stockholm. Im Vorfeld dieses Duells wurde uns aber leider etwas wieder ins Gedächtnis gerufen, das während der gesamten Fußball-WM in Südafrika kein Thema war: die Gewalt in und um die Stadien.

Dabei könnte alles so schön und vor allem friedlich sein. Menschen treffen sich, um einem fairen Wettstreit zwischen zwei Mannschaften beizuwohnen. Der Sport sollte im Mittelpunkt stehen. Stärke und Einsatz sollten von den Spielern auf dem Fußballplatz gezeigt werden und nicht von deren Anhängern in den Straßen oder in Gaststätten.

Der Begriff „Hooligan“ wurde 1898 zum ersten Mal in einer englischen Tageszeitung erwähnt. Der Ursprung ist aber unklar. Entweder stammt er von einer irisch-stämmigen Familie namens „Houlihan“, die für ihre Gewalt bekannt war, oder von der „Hooley’s Gang“, einer kriminellen Jugendbande aus dem britischen Islington. Als Hooligans werden heutzutage vor allem Personen bezeichnet, die sich bei Sport-Events wie zum Beispiel Fußballspielen durch ein übermäßig aggressives Verhalten auszeichnen. Eines ist jedoch klar: Sie haben nichts gemeinsam mit den Fans, die durch verbale oder manchmal auch physische Gewalt ihre Enttäuschung und Wut angesichts einer Niederlage oder einer vermeintlichen Fehlentscheidung des Schiedsrichters kundtun.

Der Kick

Der Hooliganismus ist ein internationales Phänomen. Aber in verschiedenen Ländern hat die Gewalt besorgniserregende Dimensionen erreicht. Hooligans treten in Gruppen auf und verabreden sich schon vor dem Spiel zu Schlägereien. Das Fußballspiel interessiert sie nicht. Es ist nur ein Mittel zum Zweck, um ihre Gewaltbereitschaft auszuleben. Die emotionsgeladene Atmosphäre anlässlich eines solchen Fußballspiels dient ihnen lediglich als zusätzlicher Antrieb. Der eigentliche Beweggrund für die Hooligans ist der Kick, durch physische Gewalt ihre Überlegenheit zu zeigen. Die Polizei, die das Monopol der Gewaltausübung innehat, ist dann leider auch oft ein privilegiertes Ziel der Hooligans. Ein trauriges Beispiel für Attacken auf die Ordnungshüter ist der Fall Nivel. Der Polizist wurde 1998 bei der WM in Frankreich nach dem Spiel Deutschland gegen Jugoslawien von Hooligans verletzt und ist seitdem schwer behindert. Die Hooligans sagen, sie würden keine Unbeteiligten angreifen. Und dennoch kommt es zu sogenannten „Kollateralschäden“. In vielen Ländern berichten die Zeitungen regelmäßig von unschuldigen Opfern.

Hooligans sind nicht nur sozial Benachteiligte. Sie stammen aus den unterschiedlichsten sozialen Schichten. Von Arbeitslosen über Arbeiter, Studenten und Angestellte bis hin zu Akademikern ist alles vertreten. Die Altersspanne reicht laut Polizei von etwa 15 bis 50 Jahren. Sie sind vom Aussehen her nicht von den anderen Fans zu unterscheiden. Das macht ihre Identifizierung schwer. Oft wird man zum Hooligan, weil man seine Komplexe, Frustrationen und Niederlagen des alltäglichen Lebens nicht richtig verarbeitet. Die Gewalt hat dann zum Ziel, das Selbstwertgefühl zu erhöhen. Nach der Schlacht fühlen sich die Schläger stark, anerkannt, einer Gruppe (Familie) zugehörig …

Aber die Gewalt wird mit der Zeit zu einer Art Droge, einem Ventil, das es diesen Leuten erlaubt, ihrem tristen Alltag zu entfliehen. Auf diese Weise wird der Hooliganismus zu einem Spiegelbild unserer Gesellschaft mit all ihren Höhen und Abgründen. Und zeigt, dass auch Menschen, die als erfolgreich, ruhig und besonnen angesehen werden, eine dunkle Seite haben können.

René Hoffmann
rhoffmann@tageblatt.lu