Flexibel bis ins Krankenhaus

Flexibel bis ins Krankenhaus

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Zeiten sind hart, die Krise fordert ihren Tribut. Das soziale Klima in den Betrieben verschlechtert sich, wie Beschäftigungsminister Nicolas Schmit noch vergangene Woche im Tageblatt-Interview bemerkte.

Wer einen Job hat, möchte diesen behalten und ist bereit, dafür einiges in Kauf zu nehmen. Murks und Stress haben längst auch im lange als privilegiert angesehenen Dienstleistungsbereich Einzug gehalten, man schaue sich die Lage im Bankensektor an.

Robert Schneider rschneider@tageblatt.lu

Gern gebrauchtes Modewort seitens der Arbeitgeber ist dabei die Flexibilität der Arbeitnehmer: Sie sollen nicht nur multifunktional einsetzbar sein, sie sollen auch stets dann zur Verfügung stehen, wenn die Produktionsprozesse es verlangen – und dies deckt sich nicht immer mit dem Arbeitsrecht.

Mittlerweile sind ein Drittel der Krankschreibungen auf psychische Überlastung zurückzuführen. Burnout greift um sich; die Einsparungen der Unternehmen – meist ausschließlich auf Kosten der Beschäftigten – schlagen sich in den Bilanzen der Krankenkassen nieder (übrigens auch dies eine indirekte Subventionierung der Unternehmen durch den Staat).

Neben den körperlichen Belastungen, denen die Arbeitnehmer ausgesetzt sind und die zu den hinlänglich bekannten und erforschten Rückenschmerzen und anderen Verschleißerkrankungen führen können, sind also besonders psychische Erkrankungen das Symptom der höheren Erwartungen an die Beschäftigten.

Burnout – Boreout

Leidet die Psyche unter anhaltendem Druck, kann es zu einem Zustand vollkommener Erschöpfung kommen. Die Betroffenen sehen keinen Sinn mehr in ihrem Handeln, fühlen sich hilflos, sind depressiv: das sogenannte Burnout-Syndrom (ausgebrannt sein). Die Krankheit entwickelt sich langsam und wird meist erst erkannt, wenn es bereits zu spät ist. Übrigens gibt es auch das Gegenteil: Das sogenannte Boreout entsteht durch permanente Unterforderung im Job, die zu Vertuschungsstrategien führt, um sich und andere über den Mangel an beruflicher Herausforderung hinwegzutäuschen.

Arbeitsmediziner raten jedenfalls, im Fall von Gefährdung durch Stress die Messlatte etwas tiefer zu legen und zu bedenken, dass weniger manchmal mehr ist.

In dem Sinne möchten wir auf eine Konferenz zurückkommen, die Informationswissenschaftler Thomas Hau Anfang Juni auf Einladung von OGBL und FNCTTFEL zum Thema „digitale Arbeitswelten“ hielt. Hau zeigte auf, wie stark die Arbeitswelt heute durch die neuen Medien à la Smartphones, Notebooks, Tablets u.ä. geprägt ist. Die ständige Erreichbarkeit führe zu permanenter Verfügbarkeit; dies nicht nur bei Managern, sondern bis hin zu Produktionsarbeitern, die schnell mal über mobile Instrumente zurück an den Arbeitsplatz beordert werden können.

Neben dem Aushöhlen von klassischen Arbeitsverträgen bergen die neuen Kommunikationsmittel erhebliche gesundheitliche Gefahren. Wer ständig erreichbar ist und so seine Flexibilität dokumentieren möchte, nutzt dem Unternehmen nur kurzfristig, da er seiner Gesundheit erheblich zu schaden droht.

Besonders im Urlaub sollte deshalb die freie Zeit für anderes als das Checken der Mails, das „Auf-dem-Laufenden-Bleiben“ genutzt werden, ansonsten wird Körper und Psyche die Gelegenheit zur Erholung genommen. Dies sollten auch die Arbeitgeber einsehen; es ist schließlich in ihrem ureigenen Interesse, dass das „Produktionsmittel Mensch“ fit und leistungsfähig bleibt.

Für die Beschäftigten sollte deshalb gelten: Im Urlaub ruhig mal abschalten. Die kleinen mobilen Geräte haben einen Anrufbeantworter und dieser sollte öfter eingeschaltet werden.