Kaum zu glauben, und damit bislang unglaubwürdig, weil bis letzte Woche die Tendenz dahin ging, den weltweiten Ausbau von AKWs mit Nachdruck voranzutreiben.
" class="infobox_img" />Sascha Bremer
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Nun rückt die deutsche Regierung, die noch bis vor kurzem den Ausstieg vom Ausstieg proklamiert hatte, Schritt für Schritt wieder von dieser Position ab. Die USA machen sich Sorgen um ihre in die Jahre gekommenen Zentralen und Premierminister Putin kündigt zumindest an, die russischen Anlagen auf Herz und Nieren prüfen zu wollen. Nur China hält, zumindest momentan, noch an seinem geplanten gewaltigen Ausbau an Kraftwerken fest und die französische Regierung, wen wundert’s, tut sich augenscheinlich schwer damit, einen seiner wenigen industriellen „fleurons“ abzuschreiben. Bis auf Weiteres allerdings sind für die jeweiligen Regierungen die eigenen AKWs in jedem Fall die sichersten der Welt. Der Spiegel hat bereits in seiner letzten Ausgabe das Ende des Atomzeitalters ausgerufen. Das Hamburger Nachrichtenmagazin dürfte zumindest damit recht haben, dass es sich seit vergangenem Freitag um den Anfang vom Ende der „billigen“ Atomenergie handelt.
Jedoch gibt sich die Atomindustrie so leicht nicht geschlagen. Man hört ja bereits seit Tagen von Atomenergie-Apologeten: Das eigentliche Problem sei doch, dass die Japaner ihre AKWs entlang einer geologischen Bruchlinie gebaut haben, wo es nur so von Erdbeben und Tsunamis wimmelt. Alles also nur eine Frage der menschlichen Fehleinschätzung von Risiken, keine technologische?
Zukunftsszenarien?
Es stimmt, dass die Technologie auf dem Reißbrett tadellos funktioniert. Es stimmt auch, dass es hundertprozentige Sicherheit nicht gibt. Doch gerade Japan hat gezeigt, wie fragil unsere auf Effizienz getrimmten Hightech-Staaten geworden sind.
Man sieht jetzt deutlich, dass es keine Rolle spielt, welcher Natur die Bedrohung für AKWs ist. Ob die Gefahr von gewaltigen Naturkatastrophen, terroristischen Anschlägen, Flugzeugabstürzen oder sonst einem bis dato von den Betreibern der AKWs nicht durchdachten Szenario ausgeht, kann nur nebensächlich sein, wenn man sieht, dass im Großraum Tokio 35 Millionen Menschen Gefahr laufen, radioaktiv kontaminiert zu werden. Die Fehleinschätzung betrifft nicht etwaige falsch kalkulierte Risiken, sondern den Umstand, dass man die Bevölkerung und gesamte Volkswirtschaften mit dieser Technologie solchen Gefahren aussetzt.
Wie kompliziert und komplex einerseits die Abkehr von der Nuklearenergie sein wird, kann man sich bereits ausmalen. Sollte kurzfristig, wenn dies überhaupt möglich sein sollte, in großem Stil darauf verzichtet werden, dann bedeutet dies nicht nur, zumindest übergangsweise, Verzicht auf „billigen“ Strom. Es bedeutet auch, dass der Kampf zur Reduktion der CO2-Emissionen unter neuen Regeln geführt werden muss. Die Atomenergie war bis jetzt ein integraler Bestandteil davon. Das Risiko besteht, dass nun, auch und vor allem im Namen des globalen Wirtschaftswachstums, wieder vermehrt auf fossile Brennstoffe gesetzt wird.
Man kann zudem andererseits, auf die Lage in Japan bezogen, nur hoffen, dass die freigesetzte radioaktive Strahlung lediglich lokal begrenzte starke Auswirkungen haben wird. Die Ingenieure, die gerade mit der Abwicklung der Fukushima-Anlage befasst sind, sind dem Tode geweiht. Weitere dürften folgen.
Im schlimmsten (?) Fall – und der ist momentan gar nicht mal so unrealistisch – muss der 35-MillionenSeelen-Großraum Tokio evakuiert werden. Allein dies würde neben den unvermeidlichen menschlichen Dramen zum Kollaps der drittgrößten Wirtschaft der Welt führen.
Eines steht fest, der Epochenwechsel ist brutal.
De Maart

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