Ein Schlamassel

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Wie die Besorgnis einiger Politiker um die eigene berufliche Zukunft die wirtschaftliche Perspektive eines Landes gefährdet, sieht man gerade am Beispiel Großbritannien.

Man kann kaum behaupten, dass die Tories um David Cameron nicht business-freundlich wären. Doch die scheinbar nimmer enden wollenden Diskussionen um einen möglichen Brexit – also einen EU-Austritt – sind dabei, einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden anzurichten.

Sascha Bremer sbremer@tageblatt.lu

Man muss allerdings hinzufügen, dass die britischen Konservativen dieses politische Schlachtfeld und die mittlerweile zahlreichen Nebenkriegsschauplätze selbst ins Leben gerufen haben – rein der Macht wegen. Sie sind also selber schuld, wenn sie seit geraumer Zeit zu Getriebenen dieser nationalidentitären Dynamik geworden sind.

Bei dem neuesten Versuch, der aufstrebenden EU-skeptischen UKIP-Partei doch noch Wähler abspenstig zu machen, brach der britische Premier einen Einwanderungsstreit vom Zaun und stellte gleich die Freizügigkeit innerhalb der EU infrage.

In dieser Hinsicht darf man nicht vergessen, dass gerade Großbritannien sowohl auf eine schnelle als auch größtmögliche Erweiterung der EU drängte. Der Wirtschaftsboom des Landes während der Nullerjahre erklärt sich auch durch das frühe Öffnen des Arbeitsmarktes für die Menschen aus den neuen EU-Mitgliedsländern.

„On n’est pas à une contradiction près“, würden die Erzfeinde aus Frankreich wohl hierzu sagen, und sie hätten recht damit.

In der Tat gibt es weitere Widersprüche: Laut der letzten YouGov-Umfrage käme gar keine Mehrheit für einen EU-Austritt zustande. 44 Prozent der Inselbewohner wollen in der EU bleiben, gegenüber 36 Prozent, die einen Austritt befürworten. Sollte sich die Regierung für einen Verbleib aussprechen, dann würde der Vorsprung der EU-Befürworter von 8 auf satte 35 Prozent steigen.

Um es auf den Punkt zu bringen: Um ihre konservativen Stammwähler nicht zu verlieren, verbauen Cameron und seine Partei der britischen Wirtschaft Chancen.

Dass sie dies tun, zeigt das Beispiel Luxemburg. Es gibt sicherlich eine Menge unterschiedlicher Gründe, warum die sechs größten chinesischen Banken ihre Europa-Hauptquartiere hierzulande ansiedeln. Doch nicht umsonst identifizierte die britische Presse bereits im Januar 2013 die ständige Diskussion um einen EU-Austritt als eine der Ursachen, warum die Londoner City hier schlechte Karten hatte.

Man muss einfach sagen, dass die Brexit-Diskussion Unsicherheiten fördert, die schlicht Gift für mögliche Auslandsinvestoren sind. Mal davon abgesehen, dass Großbritannien weder beim Schengen-Raum noch bei der Arbeitszeitrichtlinie, der Zusammenarbeit bei der inneren Sicherheit, dem Euro oder bei der Bankenunion mitmacht. Ohne Schengen-Visum aber zieht man kaum nicht europäische Manager und hochqualifizierte Arbeitskräfte an. Ihr Geschäftsfeld ist mehrheitlich der Binnenmarkt, nicht der kleine britische.

Die Diskussionen auf der Insel dürften sich frühestens nach den Wahlen im kommenden Jahr legen. Gut möglich, dass sie noch länger andauern werden. Andere Standorte als der britische – auch Luxemburg – dürften bis dahin von diesem Schlamassel profitieren.