Ein normales Leben führen

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Und dann ging alles sehr schnell, in der Ukraine. Nachdem der mittlerweile abgesetzte Präsident Viktor Janukowitsch auf die Bürger in Kiew schießen ließ, fielen auch seine Unterstützer und Sponsoren von ihm ab.

Womit sein Schicksal besiegelt war und die Karten in der Ukraine wieder neu gemischt werden können. Dass die kommenden Wochen und Monate bis zur Präsidentschaftswahl am 25. Mai – sinnigerweise am gleichen Tag, an dem in der EU ein neues Parlament gewählt wird – und wohl auch die danach keine einfachen werden, dessen sind sich alle bewusst. Umso mehr wird es jetzt darauf ankommen, inwieweit die neue und alte bisherige Opposition in der Ukraine vor allem von den EU-Staaten unterstützt wird.

Guy Kemp gkemp@tageblatt.lu

Einig sind sich alle – das wurde am Dienstag auch im Europäischen Parlament deutlich, wo sich alle großen politischen Parteienfamilien zu den Ereignissen in der Ukraine äußerten –, dass erst einmal der drohende finanzielle Bankrott des Staates abgewendet werden muss. Die Geberkonferenz, die dazu einberufen werden soll, darf sich allerdings nicht auf die Teilnahme der EU und ihrer Mitgliedstaaten, der USA und des Internationalen Währungsfonds beschränken.

Putin Gelegenheit geben, Wort zu halten

Auch Russland sollte einbezogen werden. Denn Moskau dürfte ein vitales Interesse daran haben, dass die Ukraine nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich auf stabile Beine kommt. Es wäre zudem die Gelegenheit für den russischen Präsidenten Wladimir Putin, zu zeigen, dass er Wort halten kann. Immerhin hatte er beim EU-Russland-Gipfel Ende Januar in Brüssel versprochen, dass er die zugesagte finanzielle Hilfe für Kiew von 15 Milliarden Euro auch dann bereitstellen würde, wenn die Opposition an die Macht kommen sollte.

Von gleicher Bedeutung und Wichtigkeit ist es jedoch auch, dazu beizutragen, dass die kommenden Urnengänge in der Ukraine so sauber und transparent wie nur möglich über die Bühne gehen. Denn dafür sind die Menschen unter dem Einsatz ihres Lebens auf die Straße gegangen. Sie wollen normale politische Verhältnisse in der Ukraine, ein normales Leben in einem normalen Land führen, transparente und Gesetzen verpflichtete staatliche Strukturen, mit einer Justiz, die ihren Namen verdient. Die Ukrainer haben die tägliche Korruption satt, die alle Bereiche ihres Lebens durchdringt und ihr Weiterkommen im Leben von der Willkür anderer abhängig macht.

Faire, transparente und demokratische Wahlen mit einem entsprechenden Wahlkampf sind daher die erste Voraussetzung dafür, dass die Bürger in der Ukraine Vertrauen in die staatlichen Strukturen erhalten. Die Bedingungen für ein solches Vertrauen haben selbst jene versäumt zu schaffen, die einst die Orangene Revolution erfolgreich angeführt haben. Daher ist wohl auch einer Julia Timoschenko, die nun ihr politisches Comeback vorbereitet, mit einer gewissenen Vorsicht zu begegnen.

Mit der Hinwendung der Demonstranten auf dem Maidan und in vielen anderen Orten im Lande zu EU-Europa wird dieses in die Pflicht genommen. Unterstützung beim Aufbau rechtsstaatlicher und demokratischer Strukturen wird hier die Hauptaufgabe sein. Dabei müsste aber auch deutlich gemacht werden, dass außer dem Assoziierungsabkommen mit einer weiteren, in einen Beitritt mündenden europäischen Perspektive nicht gerechnet werden kann. Ein solch überstürztes Angebot kann die EU sich derzeit nicht leisten.