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(AP)

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Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hat mitgeteilt, dass Sicherheit vor Image geht. Man könne sich nicht um einen PR-Krieg, um "public relations", sprich Öffentlichkeitsarbeit kümmern.

Also z.B. darum, der internationalen Gemeinschaft einmal so richtig zu erklären, warum man bislang 1.359 Menschen im Gazastreifen töten und über 7.600 verletzen musste, um im Rahmen von bisher 3.900 Angriffen auf sogenannte „Terrorziele“ insgesamt, laut israelischer Armee, 300 Hamas-Kämpfer zu töten. Oder umgekehrt, warum man 1.059 Zivilisten, darunter viele Frauen und Kinder, getötet hat, um durch den Tod von 300 Hamas-Kämpfern die Sicherheit des Staates Israel zu verteidigen. Besser gesagt, töten musste. Denn so ganz stimmt das mit der Nicht-Beteiligung am PR-Krieg nun doch nicht. Immerhin wiederholt man auf israelischer Seite gebetsmühlenartig, dass man gezwungen sei, die Zivilisten zu töten, weil die Hamas die eigene Bevölkerung als „Schutzschilde“ missbrauchen würde. Und weil die Hamas-Kämpfer von hinter diesen „menschlichen Schutzschilden“ aus auf israelische Ziele geschossen haben, hat man aus Sicht der israelischen Armee nicht einfach nur so auf die Zivilisten geschossen, sondern man hat zurückgeschossen, in einem Akt der Selbstverteidigung sogar zurückschießen müssen, auch auf Menschen ohne Waffen, auf Frauen und Kinder und Greise, weil man angegriffen worden ist. Das fürchterliche Ergebnis ist das gleiche. Aber so verfremdet kann man das eigene Gewissen besser in die Irre leiten. Besonders angesichts – mit den drei weiteren Toten von gestern – bislang 56 toter Soldaten und dreier toten Zivilisten auf israelischer Seite.

Serge Kennerknecht skennerknecht@tageblatt.lu

Gemetzel, Selbstverteidigung?

Die israelische Armee hat dieser Darstellung am Mittwoch selber einen weiteren Dämpfer versetzt. Bei dem Beschuss einer Mädchenschule des UN-Hilfswerkes für palästinensische Flüchtlinge, UNRWA, im Flüchtlingslager Dschabalija durch israelische Panzergranaten sind mindestens sechzehn Menschen ums Leben gekommen. Zumeist Kinder und Mütter, die geschlafen haben, als die israelischen Panzergranaten einschlugen. Wurden sie als „Schutzschilde“ missbraucht? Die internationale Entrüstung ist groß.

Chile, das von einer „Kollektivbestrafung der Palästinenser“ sprach, Peru und El Salvador haben am Mittwoch ihre Botschafter in Israel zu Konsultationen zurückberufen. Es ist das sechste Mal, dass eine UNRWA-Schule während der jetzigen Offensive beschossen wurde. Die letzte vor einer Woche. Mindestens 15 Menschen starben, 200 wurden verletzt. Dabei dienen die 83 Schulen, die UNRWA im Gazastreifen unterhält, zurzeit als Unterschlupf für insgesamt 200.000 „Flüchtlinge. Menschen, die dort Schutz gesucht haben, nachdem die Israelis sie aufgefordert hatten, aus ihren Häusern zu fliehen, weil sie angegriffen würden. Fliehen in einem 360 Quadratkilometer großen Gebiet mit 1,8 Millionen Einwohnern, das man wegen der israelischen Abriegelung nicht verlassen kann? Aber immerhin, man hat sie gewarnt. 3.300 „Flüchtlinge“ befanden sich in der am Mittwoch angegriffenen Schule. Dabei habe man Israel den Standort aller Schulen insgesamt 17 Mal mitgeteilt, unterstrich UNRWA-Leiter Pierre Krähenbühl nach dem Angriff. Krähenbühl appellierte an die internationale Gemeinschaft, dem „gegenwärtigen Gemetzel umgehend ein Ende zu bereiten“. Gemetzel, Selbstverteidigung?

Die kurz danach gestern von der israelischen Regierung ausgerufene vierstündige „humanitäre Waffenruhe“ in nicht umkämpften Gebieten, also lediglich knapp 44% des Gazastreifens, konnte der internationalen Entrüstung nicht viel entgegensetzen.Israel hat das Recht auf Selbstverteidigung. Ein Staat muss die Sicherheit seiner Bürger gewährleisten. Dass Israel dem Raketenbeschuss durch die Hamas ein Ende bereiten will, ist legitim. Auch dass man ein Tunnelsystem ausheben will – dessen Bau der militärisch und spionagetechnisch hochgerüsteten israelischen Armee entgangen sein soll –, durch das tödliche Attacken auf einen Staat möglich werden, ist ein Akt der Selbstverteidigung.

Wenn man jedoch dabei mit Begriffen wie „Schutzschild“ unbewaffnete Menschen zu möglichen militärischen Zielen herabwürdigt und mit dieser „Entmenschlichung“ das wahllose Niedermetzeln von Zivilisten im Gazastreifen bewusst in Kauf nimmt, begibt man sich auf dasselbe Niveau wie die Hamas, die mit ihrem Raketenbeschuss genauso verabscheuungswürdig wahllos Terror und Tod nach Israel bringt. Netanjahu kümmert sich nicht um das Image seines Landes? Ein Fehler.

(Serge Kennerknecht/Tageblatt.lu)