Zeit zu tilgen

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Die Stadt Esch hat kaum noch Platz

Voraussichtlich Mitte 2017 soll die Stadt Esch/Alzette 300 Asylantragsteller in Containerwohnungen auf dem Parkplatz am Quai Neudorf aufnehmen. Diese Entscheidung hat die Regierung am vergangenen Donnerstag getroffen. Die Escher Bürgermeisterin hat die Nachricht am Freitag dem Gemeinderat mitgeteilt. Die Stadt Esch habe ein Mitspracherecht genossen und ihren Bedingungen sei Rechnung getragen worden, sagte Vera Spautz.

Die Hauptbedingungen des Escher Schöffenrats lauteten: Die Flüchtlinge dürfen nicht zu weit vom Stadtzentrum entfernt wohnen und sie sollen nicht in einem Containerdorf leben müssen.

Zumindest die erste Bedingung wurde mit dem aktuellen Standort erfüllt, der nur mehrere 100 Meter vom zentralen Rathausplatz entfernt liegt. Eine Containereinrichtung wird es nun aber doch werden, vor allem weil kein geeignetes Gebäude in Esch verfügbar ist.

Trotz seiner Nähe zum Stadtzentrum ist der Standort im Neudorf aber nicht ideal. Erstens liegt er an einer viel befahrenen Straße und ist daher äußerst exponiert. Zweitens werden die 100 Kinder, die unter den 300 Flüchtlingen sein sollen, dort nicht viel Platz zum Spielen haben, da das Grundstück nicht besonders groß ist.
Die Besonderheit der Escher Flüchtlingsunterkunft sei, dass die besagten 100 Kinder in der Neudorfschule eingeschult werden könnten, hieß es am Freitag.

Einige Gemeinderäte äußerten jedoch bereits berechtigte Bedenken, dass die 1959 eröffnete Neudorf-Schule, die eigentlich nur eine „Annexe“ der Dellhéicht-Schule ist, nicht über ausreichend Platz verfügt, um diese Kinder aufzunehmen. Zurzeit sind in der Neudorf-Schule lediglich eine „Précoce“- und zwei „Préscolaire“-Klassen untergebracht. Insgesamt bietet die Schule kaum mehr als 50 Kindern Platz, so dass die Stadt Esch nicht umhinkommen wird, sie noch auszubauen.

Der Schulraum in Esch ist aber auch jetzt schon sehr begrenzt. Die neue Zentrumschule im Viertel Wobrécken soll erst 2019 bezugsfertig sein. Platz für den Bau neuer Schulen ist kaum noch vorhanden.

Dass die zweitgrößte Stadt Luxemburgs Verantwortung tragen und weitere Flüchtlinge aufnehmen muss, wird wohl niemand bestreiten.

Mit lediglich 14,4 Quadratkilometern ist Esch
flächenmäßig aber eine der kleinen Gemeinden
in Luxemburg. Die Bevölkerungsdichte ist mit rund 2.300 Einwohnern pro km2 die höchste im Land.

Hinzu kommt, dass die meisten ungenutzten Grundstücke nicht der Gemeinde oder dem Staat, sondern ArcelorMittal gehören. Die Stahlbarone haben vor mehr als 100 Jahren riesige Flächen sprichwörtlich für einen Apfel und ein Ei erworben, um darauf ihre Schmelzen zu bauen. Nun, da die meisten Schmelzen längst geschlossen sind, liegen diese Flächen brach. Doch das Unternehmen, das all diese Grundstücke rechtmäßig „geerbt“ hat, gibt sie nur ungern wieder her. Oft gehen einem Verkauf oder einer Übereinkunft zur öffentlichen Nutzung lange und zähe Verhandlungen voraus.

Diese Haltung ist einerseits nachvollziehbar, denn die Stahlindustrie und ihre Barone haben dem Großherzogtum und auch der Stadt Esch Reichtum und Wohlstand beschert und damit ihren Tribut gezollt.
Andererseits haben die öffentliche Hand und die Zivilgesellschaft ihren Soll ebenfalls erfüllt, indem sie die Bedürfnisse des Stahlunternehmens auch in Krisenzeiten stets berücksichtigt haben.

In diesem Sinne liegt der Ball nun bei ArcelorMittal. Denn in Zeiten wie diesen haben nicht nur der Staat und die Gemeinden einen Beitrag zu leisten. Auch die Unternehmen müssen ihren Teil der Verantwortung tragen.

llaboulle@tageblatt.lu