Von Schmidts Kaliber

Von Schmidts Kaliber
(Alain Rischard/editpress)

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Abschied von einem großen Sozialdemokraten.

Helmut Schmidt ist tot. Er war einer der letzten von einer Generation großer Sozialdemokraten, die nach dem Krieg, der unseren Kontinent verwüstet hatte, Europa zu neuer Größe führten, auf sozialer wie wirtschaftlicher Ebene.
Die Generation der Schmidt, Brandt, Palme, Kreisky, Mitterrand hatte selbst noch erlebt, was der Krieg mit Europa angerichtet hatte, wie Dutzende Millionen Europäer von diesem Moloch verschlungen worden waren und weite Teile der alten Welt in Schutt und Asche versunken waren.

Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Ihr Engagement für den Frieden, vor allem für die definitive Beseitigung der „Erbfeindschaft“ zwischen Deutschland und Frankreich war motiviert durch das „nie wieder“, durch die Entschlossenheit, eine weitere Katastrophe wie Weltkrieg und Shoah zu verhindern. Dies vor allem durch die Festigung der Demokratie und eine möglichst breite und gerechte Verteilung des Wohlstands.

Damit verbunden war notwendigerweise ein Kampf gegen jede Form des Totalitarismus. In totalitären Systemen sind die Machthaber in der Tat immer versucht, ihr Heil in einem kriegerischen Abenteuer zu suchen, sobald den von ihnen beherrschten Völkern klar wird, dass die einfachen Lösungen, welche die Feinde der Demokratie für die komplexesten Probleme parat zu haben vorgeben, hinten und vorne nichts taugen.

Die Sicherung des Friedens in Europa war aber auch unter Sozialdemokraten und Sozialisten ein heikles Thema, wie Schmidts Einsatz für den NATO-Doppelbeschluss deutlich machte. Die amerikanischen Mittelstreckenraketen mit Nuklearsprengköpfen hätten im sogenannten „Ernstfall“ im Verein mit jenen sowjetischen Waffen, die der NATO als Begründung ihrer Stationierung dienten, Europa wohl endgültig den Garaus gemacht. Wobei sich ein solcher Konflikt zudem wohl kaum auf Europa hätte begrenzen lassen.

Die Begeisterung etlicher führender Sozialdemokraten für Atomraketen und -reaktoren trug in den Siebziger- und Achtzigerjahren erheblich dazu bei, die grüne Bewegung, vor allem in Deutschland, aber beileibe nicht nur dort, zu einer realen politischen Kraft erstarken zu lassen.

Diese Generation von Sozialdemokraten hatte entscheidenden Einfluss darauf, dass Europa zum Höhepunkt der „Trente Glorieuses“ eine gleichere und sozial gerechtere Gesellschaft geworden war.

Sie musste aber auch mit ansehen, wie ab 1979, nachdem in Großbritannien Margaret Thatcher an die Macht gekommen war, systematisch die Axt an die in den drei Jahrzehnten zuvor erkämpften sozialen Errungenschaften gelegt wurde.

Schmidt musste in seinen letzten Monaten aber ebenso miterleben, wie das Europa, bei dessen Aufbau er sich so viele Verdienste erworben hatte, von mehreren existenzgefährdenden Krisen bedroht wurde.

Der Streit um Schulden und Flüchtlinge setzt den Zusammenhalt der 28 einer extremen Belastung aus. Ein paar Politiker von Schmidts Kaliber könnten wir gerade jetzt gut gebrauchen …

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