Kampagnen und ihre Tücken: Long story (too) short

Kampagnen und ihre Tücken: Long story (too) short

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Bald ist Weihnachten. Dies kündigt sich nicht nur durch die Lebkuchenherzen an, die seit September die Regalbretter säumen, sondern auch durch Spendenaufrufe, die sich in dieser Zeit des erhöhten Konsumrauschs mehren. Die Welt spricht von der „Spenden-Hochsaison“ und zitiert die Geschäftsführerin des Deutschen Spendenrats, Daniela Felser, die bestätigt, dass in den letzten Monaten des Jahres am häufigsten gespendet wird. Nun brodelt es an den zahlreichen Krisenherden dieser Welt bei weitem nicht nur in diesem Zeitraum, weshalb der Eindruck entsteht, der eine oder die andere kaufe sich noch schnell vor Weihnachten im Namen der Nächstenliebe ein klein wenig frei, bevor dann mit etwas ruhigerem Gewissen weitergeshoppt wird. Ob man aber sensibilisierter aus einer derartigen Aktion herausgeht, ist fraglich. Dazu trägt nicht nur, aber definitiv auch die Machart so mancher Kampagnen bei, die Geschichten erzählen, die kurzfristig Emotionen hervorrufen, nicht aber nachhaltig wirken.

Gut betuchte Afrikaner singen im Chor, dass es endlich Zeit wird, zu handeln und den armen Norwegern zu helfen. Niemand habe es verdient, zu frieren. Es gelte, Heizungen zu sammeln, um sie nach Nordeuropa zu schicken. Ein kleiner dunkelhäutiger Junge ist erschöpft und gibt zu: „Manchmal denke ich darüber nach, aufzuhören, aber es ist schließlich für einen guten Zweck.“ Er ist ein professioneller Charity-Kampagnen-Schauspieler auf seinem Heimatkontinent Afrika. Große Firmen und NGOs rennen ihm die Bude ein, wenn sie Videos drehen wollen, die schön auf die Tränendrüse drücken.

Beide ironisch gemeinten Beispiele stammen vom „Norwegian Students’ and Academics’ International Assistance Fund“ (SAIH), der jährlich den Radi-Aid Award verleiht. Der Preis geht an diejenigen, die ihre Kampagnen mit den meisten Stereotypen vollpacken. Ohne es zu merken, wohlverstanden. Die Organisation macht mit einer kräftigen Portion Humor darauf aufmerksam, wie häufig gerade diejenigen, die angeblich sensibilisieren wollen, Stereotype zementieren, statt sie zu brechen. Und damit denen, denen sie helfen wollen, absolut keinen Gefallen tun.

Luxemburg könnte einen derartigen Award auch gebrauchen. Man denke nur an die „Posch voller Iddien“-Kampagne der LSAP, bei der äußerst tief in die Mottenkiste der Bildsprache gegriffen wurde, oder auch jene des Ministeriums für Chancengleichheit, bei der es hieß, „de politesche Kostüm“ stünde Mann und Frau, was im Video mit einer Frau illustriert wurde, die aus einer Umkleidekabine tritt und einen dunklen Zweiteiler samt rot-weiß-blauer Schärpe trägt. Das aktuellste Beispiel ist wohl die Kampagne der „Association nationale des victimes de la route“, die in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Nachhaltige Entwicklung und Infrastruktur entstanden ist. Hier werden Überlebende von Unfällen mit einer körperlichen Behinderung als lebende Negativbeispiele genutzt. Der Untertitel könnte fast lauten: Fahrt anständig, sonst werdet ihr wie wir!

Es steht außer Zweifel, dass man für Kampagnen kurze und leicht verständliche Botschaften benötigt, um ein möglichst breites Publikum erreichen zu können. Dies bedeutet aber nicht, dass man verkürzte und verdrehte Geschichten erzählen soll, die in keinem Verhältnis zu einer doch weitaus komplexeren Realität stehen. Das Problem mag hier beim Erzähler liegen, wohl aber auch bei der Zuhörerschaft, die nicht mehr bereit ist, mehr Zeit aufzubringen, um sich wirklich mit Problemen zu befassen.

roger wohlfart
19. November 2018 - 9.46

Heutzutage werden die Menschen via Massemedien tagtäglich so von Publicity zugeschüttet, dass sie dagegen immun werden. So auch gegen Appelle an die Vernunft am Beispiel Strassenverkehr oder die inflationäre Spendenaufrufe aller Art. Letztere erreichen vielleicht noch die Angesprochenen, wegens des schlechten Gewissens besonders um die Weihnachtszeit, stossen allerdings auch auf Misstrauen, weil man nicht weiss , was mit den gespendeten Geldern geschieht.

Jacques Zeyen
19. November 2018 - 9.00

Zumal wenn die Probleme,auch die eigenen,sich so anhäufen,dass für eine Stunde Muße kaum mehr Zeit bleibt. Wussten sie schon,dass alle Spenden und "Schirme" für verschuldete Drittländer weltweit viele Millionen Dollar betragen und dass diese Summe gerade langt um für 10 Tage die Zinsen zu zahlen!? Den Rest des Jahres sind diese Länder sich selbst überlassen. Hinzu kommt noch,dass man besser seine Spende selbst an den Mann bringt weil sie sonst womöglich unterwegs verloren geht.