Gleiche Regeln für alle

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(Reuters/Nacho Doce)

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Warum ein Vermummungsverbot?

Über Geschmack und Farben, auch in Sachen Bekleidung, streitet man bekanntlich nicht. Niemand regt sich sonderlich auf, wenn Männer mit schwarzen Röcken durch die Stadt laufen, auch wenn, zugegebenermaßen, derlei Erscheinungen heute nur während der Oktave zu beobachten sind. Anders stellt sich die Frage jedoch, wenn der Körper einer Person integral durch ein schwarzes Tuch verschleiert ist, Formen nur zu erahnen sind und der Blick ins Gesicht des Gegenübers durch ein Stück Stoff versperrt wird.

Lucien Montebrusco lmontebrusco@tageblatt.lu

Die Diskussion über ein Verbot der Burka, die sogar die Augen der Frau hinter einem Stoffgitter versteckt, oder des Nikab, der lediglich die Augen freilässt, ist nicht neu. Sie tauchte in den letzten Jahren mit schöner Regelmäßigkeit auf, insbesondere, wenn ein anderes EU-Land sich mit derlei Verbot befasste, Belgien etwa oder Frankreich.

Aus der schwelenden Glut wurde in den letzten Wochen jedoch ein regelrechtes Feuer, angefacht von der CSV. Sie griff eine von der ADR bereits 2014 formulierte Forderung nach dem Burka-Verbot auf. Wohl unter dem Eindruck der blutigen Terroranschläge in Paris schloss sich überraschend auch LSAP-Präsident Claude Haagen der Forderung an.

Der Zustimmung breiter Bevölkerungskreise dürften sich die Sozialisten mit diesem Meinungsumschwung sicher sein. Die Anschläge in Paris und zuvor das Attentat auf das russische Passagierflugzeug über dem Sinai verstärkten das spätestens seit der Terrorattacke auf die Charlie-Hebdo-Redaktion allgemein verbreitete Unsicherheitsgefühl. Sie potenzierten die Angst vor dem vermeintlich bedrohlichen Fremden, das seit Jahren in Form des Islamismus daherkommt. In den Sog dieser irrationalen Ängste geraten automatisch jene, die ihre religiöse Überzeugung mit ihrer Bekleidung in der Öffentlichkeit kundtun, seien das die verschleierten Frauen oder die bärtigen Männer mit den Dreiviertel-Hosen.

Vermummungsverbot also, um diesem Unsicherheitsgefühl entgegenzuwirken? Nicht nur. Wer in einem europäischen Land leben will, soll sich den hier geltenden Regeln und demokratisch erstellten Gesetzen fügen. Punkt.

Doch eigentlich ist die Diskussion über derlei vestimentäre Tradition zweitrangig, würde die Duldung solcher Ausnahmen aus religiösen Gründen keinen gefährlichen Präzedenzfall schaffen. Wer aus religiösen Gründen allgemein akzeptierte Regeln verletzen darf, wird unter denselben Motiven Ausnahmen in anderen Bereichen einklagen dürfen, etwa in der Schule der Tochter den gemeinsamen Schwimmunterricht und später den Umgang mit Gleichaltrigen des anderen Geschlechts in der Schule untersagen.

Damit wäre die Rolle der Schule als Fabrik zur Herstellung des gesellschaftlichen Kitts definitiv zerstört. Dabei ist sie eine der wenigen übrig gebliebenen Institutionen, in denen sich Kinder unterschiedlicher sozialer Herkunft begegnen können, sich austauschen und sich zwanglos mit den Werten des jeweiligen Kulturkreises bekannt machen und sich damit vielleicht von archaischen Lebensvorstellungen befreien können. Wer diese Plattform zerstört, gefährdet den auch so bereits brüchigen sozialen Zusammenhalt der Gesellschaft und verstärkt die Tendenz zur Bildung paralleler Gesellschaften.

Das aber darf und sollte man nicht zulassen!

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