Falscher Säkularismus?

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Als wir am 2. Januar die potenziell interessanten Persönlichkeiten des anstehenden Kulturjahres vorstellten und der neuen Leiterin des Mudam, Suzanne Cotter, einen Platz einräumten, hofften wir eigentlich, dass in dem Museum nach der Affäre Lunghi wieder etwas kulturpolitische Ruhe einkehren würde. Nun ist in den letzten Wochen allerdings genau das Gegenteil passiert: Ausgerechnet Wim Delvoyes antiklerikale Kapelle soll nun von einer Regierung, die sich für die Trennung von Kirche und Staat eingesetzt hat, demontiert werden – ohne dass der Künstler selbst davon wusste. Einer der Gründe sei, so heißt es in Kulturminister Xavier Bettels Antwort auf eine parlamentarische Frage des ADR-Abgeordneten Fernand Kartheiser, dass der Raum, in dem sich zurzeit die Kapelle befindet, für pädagogische Zwecke genutzt werden soll – was, wie Josée Hansen am 6. April im Land festhielt, im Interesse eines Privatsponsors, der Leir Charitable Foundations, sei. Somit, so Bettel, wäre auch der Zugang zu Sanitäranlagen gewährleistet. Abgesehen von der ironischen Gegebenheit, dass Wim „Cloaca“ Delvoyes Kunst nun realen Sanitäranlagen Platz machen soll, scheint es äußerst fragwürdig, dass man im Namen der Erziehung ein Kunstwerk abbauen möchte – als wäre eine der Prämissen von Erziehungsmethoden im Kunstbereich, ein Museum künstlerisch zu verarmen, um dann – ja, was eigentlich? Kulturelle Erziehung als Alibi für persönliche ästhetische Vorlieben zu nehmen? Das bereits existierende Mudamini-Programm so zu ergänzen, dass Kinder von klein auf in kulturpolitische Konflikte mit einbezogen werden – weil heute alle und jeder „embedded“ sind?

Dass das Thema momentan in aller Munde ist, zeigt, dass das Mudam in der kollektiven Auffassung zu einer Art traumatischem Knoten geworden ist, einem Ort, der die komplizierte, teils schizophrene Beziehung Luxemburgs zu seiner Kultur verdichtet und symbolisiert. Am Anfang dessen hektischer, von Missverständnissen geprägter Geschichte steht das zweideutige, unklare Akronym: Mudam steht bekanntermaßen für „Musée d’art moderne Grand-Duc Jean“, wobei das Museum jedoch zeitgenössische Kunst ausstellt. Die Implikation der großherzoglichen Familie wurde durch den Vorsitz von Erbgroßherzogin Stéphanie im Verwaltungsrat noch gefestigt. So spiegeln sich schon im Namen des Museums seine Widersprüche und Interessenskonflikte wider – von Politikern über die großherzogliche Familie bis hin zu Privatsponsoren scheint jeder den Lack seiner Vision auf das Label Mudam schichten zu wollen.

Die momentanen Aufschreie zeugen allerdings auch von einer Epoche, in der alles in bloßer Synchronizität aufgefasst, interpretiert und entziffert wird. Wer die jüngste kulturpolitische Geschichte Luxemburgs im Allgemeinen (siehe Esch 2022) und die des Mudam im Speziellen betrachtet, den dürften die aktuellen Geschehnisse, besonders in Bezug auf Kommunikationsmängel und fehlende Transparenz, leider wenig wundern – würden sich die tatsächlichen Geschehnisse in einer bitterbösen Fiktion über das unglückliche Verzahnen von Kunst und Kulturpolitik abspielen, würde man dem Autor wohl vorwerfen, seine Story wäre einfallslos, voraussehbar, unwahrscheinlich und vor allem redundant. Catherine Gaengs Buch über die Affäre Lunghi erscheint in diesem Zusammenhang fast schon wie eine unheilvolle Vorankündigung. Denn wenn der Wurm der Privatisierung erst einmal drin ist, scheint die Hoffnung darauf, dass man in der internationalen Presse wieder über die Ausstellungen des Mudam und nicht über seine kulturpolitischen Intrigen redet, langsam, aber sicher zu schwinden.

roger wohlfart
13. April 2018 - 9.36

Wat e Gedeessems! Wat ech dat scho nëmme liesen: eng antiklerikal Kapell! Wat huet dat mat Kultur ze dinn?

Pompier Sam
11. April 2018 - 8.53

Waat soll dei ganz gekünstelt Opreegung an den Gambiabashing? Dat Wierk, waat mer gudd gefällt, wor Jorenlang ze gesinn, an elo wellt d'Directioun eppes Anneres do machen, waat mer ganz normal schengt.

Roland
10. April 2018 - 14.26

Wie wär's, wenn wir der Leitung des Mudams ihre Arbeit verrichten lassen, ohne dass jeder Hinz und Kunz es besser wissen will, welche Kunstwerke ausgestellt und welche eingelagert werden.