Die Identitätssuche

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Luxemburgs Wirtschaft steht unter Beschuss. Und das nicht erst seit gestern. Spätestens seit dem LuxLeaks-Skandal kann man sich nicht mehr des Eindrucks erwehren, dass das hiesige Wirtschafts- und Fiskalmodell nicht mehr stillschweigend toleriert wird: Die EU-Kommission und Frankreich sowie Deutschland scharren mit den Hufen. Obschon sich Jean-Claude Junckers Nachfolger im Gegensatz zu ihm einer transparenteren Politik verschrieben haben, können auch sie nichts an den systemischen Zwängen ändern. Will heißen: Luxemburg entwickelt sich zunehmend zu einem Staat mit schizophrenen Zügen. Er muss im Dauerzwist mit Brüssel sein, um nationale Interessen zu verteidigen. Gleichzeitig will er die europäische Integration vorantreiben und zu den „guten Europäern“ gehören – was ihm aber nicht mehr so recht gelingt. Die Akzeptanz für tricksende Unternehmen, die sich Luxemburg dabei aus steuerlichen Motiven bedienen, sinkt im Ausland.

Denn trotz all der Sympathie und guten Beziehungen zwischen Premier Xavier Bettel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron helfen keine „Hochglanz-Kussi-Kussi“-Fotos, um über die knallharten Meinungsverschiedenheiten und die unterschiedlichen Interessenslagen beider Staaten hinwegzutäuschen. Und auch vom französischen EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici wird Luxemburg immer offener und aggressiver in die Mangel genommen. Das lange Zeit verpönte „Name and Shame“ gehört mittlerweile zum Repertoire der EU-Kommission. Sie reibt sich an Luxemburgs Steuerpolitik und übt in aller Öffentlichkeit lauthals Kritik. Somit befindet sich das Großherzogtum in der unangenehmen Situation, dass zum Beispiel Bestrebungen im Bereich der Steuerharmonisierung auf europäischer Ebene stur geblockt werden müssen.

Das sogenannte „Level Playing Field“ wird auf Teufel komm raus beschworen. Luxemburg behauptet, seine nationale Souveränität auf globaler Ebene schützen zu müssen, will aber im Umkehrschluss eigentlich nur eins: sein wackliges Wirtschaftsmodell über die Runden retten. All dies in der Hoffnung, als Zwergstaat in einer globalisierten Welt irgendwie den Sprung vom Dienstleistungsanbieter zu … ja, zu was eigentlich zu schaffen? Genau auf diese Identitätsfrage haben die politischen Parteien hierzulande nicht wirklich eine Antwort. Die eindimensionale, rein national orientierte Wachstumsdebatte zeigt, dass man dem Wähler nur das verkaufen will, was ihm zumutbar ist, aber in keiner Form das anspricht, was für die Menschen in diesem Land wirklich auf dem Spiel steht. Denn jeder halbwegs vernünftige Politiker weiß, dass Luxemburg ohne seine der nationalen Souveränität huldigenden Politik nicht überlebensfähig wäre. Klingt unsexy uneuropäisch, nicht wahr?

Demnach verschließt man im Wahlkampf lieber die Augen und hofft, dass Brüssel, Berlin oder Paris uns bloß nicht zu laut und zu hart grätschen. Denn überall dort, wo „mutige“ Politiker den „tapferen“ Kampf gegen das „böse Brüssel“ führen – natürlich an den falschen Stellen –, wird Populismus genährt. Und diesen kann man Luxemburgs Politikern wahrlich nicht vorwerfen, da das „Ureuropäertum“ und die damit verbundene vertrauensschaffende Stabilität Teil des hiesigen Geschäftsmodells sind. Die Folge: Man will den Streit über die Zukunft Luxemburgs am liebsten hinter verschlossenen Türen führen, um keine unbequemen Fragen beantworten zu müssen und den Schein aufrechtzuerhalten, stets im Interesse der EU zu handeln. Was natürlich Schwachsinn und realitätsfremd ist.

Die Realität ist vielmehr folgende: Ein rein nationaler, oberflächlicher Wahlkampf und eine an der Sozialpolitik vorbei träumende Regierungspolitik werden Luxemburg nicht in ruhigere Fahrwässer führen, sondern in eine die soziale Kohäsion gefährdende Zukunft. Da hilft auch nicht die übliche inhaltsschwangere Rhetorik, die keine Antwort auf die Frage kennt, wie unser Wirtschaftsmodell modernisiert werden kann, ohne dabei dem neoliberalen Zeitgeist noch stärker zu frönen.

Judd mat Gaardebounen
26. März 2018 - 21.02

Wer lesen kann ist klar im Vorteil...

Humpenjang
25. März 2018 - 19.03

https://de.wikipedia.org/wiki/Neoliberalismus

Pit Senninger
25. März 2018 - 10.19

"neoliberalen Zeitgeist" ? Kennt der eis weg erklären waat dat soll sinn?

Serenissima en Escher Jong
24. März 2018 - 19.47

Augenblicklich ist die EU Kommission (trotz JCJ) eben gegen Luxemburg und die anderen sogenannte Steuersünder eingestellt: Niederlande, Irland Malta, Zypern usw...aber auch die Engländer mit den Überseegebieten und lieblichen Inseln...weil eben ein Franzose sich darin verbissen hat mit Namen Moscovici (nomen est omen...) und es ist sehr sehr schwer sich dagegen zu verteidigen...es sei denn man verlässt die EU.... Die Schweiz, Norwegen sind der Beweis dass es auch ohne Brüssel gehen könnte in Europa das immer mehr zu eine Zwangsjacke nach Soviet Muster wird....

BillieTH
24. März 2018 - 17.47

il n’y a pas de probleme avec ‘name and shame’... que les grands etats membres, OECD et G20 veulent culpabiliser les petits etats membres pour camoufler leur propre malgerance... une union europeene ou les petits etats ne sont pas respectes par les autres, n’a pas raison d’etre. les decisions de Mme Merkel en matiere migratoire (decider sans les autres, et apres imposer aux autres les consequences et la facture d'un fait accomplie) etaient egalement contre tous les regles. aucune raison pour ne pas non plus la culpabiliser aussi fort ds ce domaine... aussi long que la commission europeene, OECD et G20 restent muette sur ce plan, aucune raison qu’on les considerait credible ou relevant, ou qu’on payerait attention a leur message.

armand
24. März 2018 - 13.01

Ist ja nicht so dass L alleine dasteht. Irland, holland, malta und belgien (der spitzenreiter in steuerrulings),.., sind ja auch dagegen. Wenn man die internetriesen stärker besteuert sind sie weg.. nach GB oder ärmelkanalinseln? Davon hat keiner was. Auch ist ein deutsches steuermodell, 50% abgaben und steuern auch dem bruttogehalt, nicht erstrebenswert. Das land wo man gut und gerne lebt wird mit einer immer grösser werdenden altersarmut konfrontiert.