Der falsche Ansatz

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Chris Schleimer überlegt, was passieren müsste, damit im Vorfeld von Olympia wieder der Sport in den Vordergrund rückt.

Die Olympischen Winterspiele stehen vor der Tür und wie es die olympische Tradition so will, rückt der Sport noch vor der Eröffnungsfeier in den Hintergrund. Und wie schon 2016 vor den Sommerspielen in Rio geht es erneut um den russischen Dopingskandal. Nachdem das Internationale Olympische Komitee (IOC) 43 russische Athleten lebenslang gesperrt hatte, zogen 42 von ihnen vor den Internationalen Sportgerichtshof (CAS). 39 Fälle wurden in einem Verfahren abgehandelt. In 28 Fällen hob der CAS die Sperre komplett auf, in elf Fällen wurde die Sperre reduziert.

Das hat IOC-Präsident Thomas Bach natürlich nicht gefallen. Er forderte gleich eine Reform des CAS. Man stelle sich vor, Premierminister Xavier Bettel würde eine neue Justizreform fordern, nur weil ein luxemburgisches Gericht ein Urteil gefällt hat, das ihm nicht passt. Der Aufschrei war bereits groß, als Bildungsminister Claude Meisch und Familienministerin Corinne Cahen das Urteil im School-Leaks-Prozess in den sozialen Netzwerken kommentierten. Jedem Bürger sollte klar sein, dass die Unabhängigkeit der Justiz ein unverzichtbarer Pfeiler der Gewaltentrennung und der Demokratie ist.

Die Sportwelt dreht sich bekanntlich etwas anders, doch auch hier ist eine unabhängige, von allen Seiten anerkannte Recht sprechende Instanz unabdingbar. Manipulations- oder Dopingaffären auf nationale Gerichte zu übertragen, wäre das Ende des Leistungssports. Ein des Dopings überführter französischer Athlet würde andere Strafen riskieren als ein überführter kenianischer Athlet.

Der CAS ist sicherlich keine perfekte Instanz, doch ist es die einzige, auf die sich der Weltsport berufen kann. Gerade dann nach Reformen zu verlangen, nachdem der Sportgerichtshof die Strafen des IOC für nichtig erklärte, unterstreicht nur das verkehrte Selbstverständnis des Ringeordens um Bach. Da setzt man definitiv an der falschen Seite an.

Zudem meinte der IOC-Präsident, dass man schauen müsse, wie man die Integrität des IOC schütze. Dabei wurde die Integrität nicht durch den CAS oder sonst eine Organisation in Mitleidenschaft gezogen, sondern einzig und allein durch Selbstverschulden. Schließlich hat das IOC es versäumt, im russischen Dopingskandal bereits vor Rio 2016 konsequent durchzugreifen.

Die Frage, die sich Bach stellen müsste: Wie können wir endlich effizient die sauberen Athleten und ihre Interessen schützen? Damit wäre automatisch auch die Integrität des IOC gesichert. Leise Hoffnungen, dass ein Reformprozess einsetzen könnte, gab es in den letzten Tagen. IOC-Mitglieder wie Richard Pound oder Adam Pengilly haben deutliche Kritik an ihrer Organisation geübt. „Wir reden mehr, als wir tun. Unsere Zukunft hängt aber von unseren Taten ab“, meinte Pound zum Beispiel. Bleibt abzuwarten, ob das IOC die nächsten Möglichkeiten nutzt, um Taten sprechen zu lassen. Nun liegt der Ball aber erst einmal beim CAS. Die Ad-hoc-Kammer des CAS muss bis morgen über die Startberechtigung von 50 russischen Athleten entscheiden. Vielleicht rückt anschließend ja der Sport zur Abwechslung mal wieder in den Fokus.