„Deniz free“, aber …

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Eigentlich gibt es nicht wirklich viel Grund zum Feiern: Stunden nach der „Freilassung“ von Deniz Yücel werden renommierte türkische Journalisten zu lebenslanger Haft verurteilt. Als wäre die Symbolik nicht zynisch genug, sei auch an folgendes erinnert: Yücel mag zwar aus der Untersuchungshaft entlassen worden sein, doch der Prozess gegen ihn in der Türkei läuft weiter. Demnach kann sich jeder Journalist nur über Yücels Glück freuen, in einem großen anerkannten, weitreichenden deutschen Medium zu arbeiten. Wer dieses Glück nicht hat, bleibt wie die türkischen Journalisten und viele Mitarbeiter des türkischen Staatsdiensts weiterhin eine politische Geisel. Entgegen der Behauptung des deutschen Außenministers Sigmar Gabriel, es habe keinen Deal mit der Türkei gegeben, hat der Rechercheverbund von NDR, WDR und Süddeutsche Zeitung gestern mit seinen Enthüllungen das genaue Gegenteil bewiesen.

So soll Gabriel Anfang Februar während eines Treffens mit dem „Boss vom Bosporus“, Recep Tayyip Erdogan, genau über diese Freilassung verhandelt haben. Zuvor soll Ex-Bundeskanzler und Gabriels Parteikollege Gerhard Schröder im Januar diskret als Erster die Strippen im Hintergrund gezogen haben. Der einflussreiche SPD-Mann hat somit Gabriel den Weg für seine diplomatischen Bemühungen geebnet. All dies verdeutlicht, wie schlimm es um die Türkei steht. Wenn ein ehemaliger Bundeskanzler und ein Außenminister Deals mit Erdogan einfädeln müssen, um einen einzigen (!) Journalisten freizubekommen, ist eigentlich alles gesagt. Denn diese Freilassung aus der Untersuchungshaft ändert nun aber rein gar nichts an der innen- und außenpolitischen Situation der Türkei. Denn momentan deutet sehr wenig darauf hin, dass jemand wirklich eine Lösung gefunden hat, um mit Erdogan umzugehen. Opportunismus ist mit Blick auf die geostrategisch hoch relevante Position der Türkei bislang zentral geblieben: Die Europäische Union braucht die „osmanischen Ohrfeigen“, um sich bloß nicht um die Flüchtlinge aus den Kriegsgebieten kümmern zu müssen. Die werden handverlesen ausgewählt oder theoretisch per Umverteilungsquote in einen Staat verfrachtet, in dem sie meistens nicht bleiben wollen – oder einer der vielen sturen Staaten nimmt sie ganz einfach nicht auf. Gerade Osteuropa gibt hier ein einziges Trauerbild ab.

Und als wäre diese von der EU finanzierte Türsteherpolitik nicht hypokritisch genug, scheinen selbst die Amerikaner vor dem NATO-Alliierten Erdogan kuschen zu müssen. Denn die Pressekonferenz zwischen US-Außenminister Rex Tillerson und seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu verdeutlichte gestern, dass die Amerikaner sich einfach keine direkte Konfrontation mit türkischen Truppen in Manbidsch erlauben können. Nicht aus militärischer Unterlegenheit, sondern aus taktischen Gründen, aus Opportunismus. Denn die Kurdenmiliz YPG hat bereits sehr viel Drecksarbeit für den Westen in Syrien erledigt, zeigt zum Teil selbst autoritäre Tendenzen im Umgang mit Arabern, weswegen man auch den Erdogan’schen Autoritarismus hinnimmt …
Deniz Yücel wird mit Sicherheit in seinem nächsten Artikel nicht mit Kritik sparen. Zum Glück.

Scholnier
17. Februar 2018 - 10.48

Scheinheiligkeit à la Erdogan, der Propaganda und dem deutschen Waffenlieferant wegen, die neue Leopard Software grüßt, lässt man D. Yücel frei. Die anderen Eingekerkerten, die die ohne Stimme sind , werden ihrem Schicksal überlassen.