Diplomaten- Tratsch?

Diplomaten- Tratsch?

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Eigentlich ist es seit jeher Gebrauch, dass Botschaften Informationen sammeln. Geht man zurück in die Antike, so waren es oft die diplomatischen Gesandten, die „zuverlässig“ Auskunft über die Regionen, in denen sie sich gerade befanden, an ihre jeweiligen „Sender“ übermitteln konnten. Es galt, etwas über die Kultur, das politische Personal und dessen Organisation, eventuell die...

Es galt, etwas über die Kultur, das politische Personal und dessen Organisation, eventuell die militärische Schlagkraft oder ganz einfach den Menschenschlag herauszufinden.

Die Frage allerdings, wo Informationsbeschaffung im Dienste des diplomatischen Austauschs aufhört und Ausspionieren anfängt, ist nicht leicht zu beantworten.

Die Kontaktinstanz Diplomat ist für den Austausch zwischen den Staaten eminent wichtig. Weil sie bis zum Schluss als Kommunikationskanal zwischen zwei Parteien gelten und womöglich durch ihre Vermittlerrolle in letzter Sekunde eine Krise verhindern können, sind es gerade die Diplomaten, die als Letzte das Feld räumen, ehe es zu ernsthafteren Auseinandersetzungen kommt.

Sie sind es auch, welche als Erste den Kontakt wiederherstellen sollen. Die Gepflogenheiten wollen ja gerade, dass sie Botschaften überbringen – in die eine wie in die andere Richtung.

Genau aus diesem Grund wurden internationale Regeln zum Schutze der Diplomaten aufgestellt (Wiener Übereinkommen von 1961). Die bis dato geltenden gewohnheitsrechtlichen Regeln des diplomatischen Verkehrs und der Immunität wurden damit juristisch verankert. Salopp ausgedrückt gilt es hier, das Prinzip „Don’t shoot the messenger“ rechtlich verbindlich zu machen.

Der eigentliche Skandal der neueren Wikileaks-Enthüllungen liegt demnach nicht etwa darin, dass der deutsche Außenminister Guido Westerwelle als inkompetent bezeichnet oder Nicolas Sarkozy als empfindlich und Silvio Berlusconi als Party-Tiger eingestuft werden. Dies ist lediglich diplomatischer Tratsch und kratzt höchstens an den Egos der Politiker – sollte es sie denn überhaupt interessieren –, weil ihnen auf einmal gewahr wird, wie man in den US-Botschaften und in Washington über sie denkt. Die öffentliche Blamage wird allerdings kaum für politische Verstimmung sorgen.

Auch die, die sich im Beisein von US-Botschaftspersonal abschätzig gegenüber Dritten äußerten, wissen nun, wie naiv sie eigentlich waren, weil sie annahmen, ihre Phrasen würden nicht nach Washington weitergegeben. Hier mag einiges Vertrauen gebrochen worden sein, jedoch ist diese Praxis rechtens, oder besser gesagt Usus im doppelten Täuschungsspiel der Diplomatie. Die Kollegen aus Frankreich, Großbritannien oder von sonst woher würden nicht anders verfahren.

Der fade Beigeschmack, der bei beiden Beispielen bleibt, ist der des Verlustes des Privaten. Wenn persönliche Meinungen in die Öffentlichkeit geraten, dann wirken sie oft zerstörerisch. Alle Diplomatie nach außen hin ist nichts wert, wenn man sich untereinander nicht mehr die Meinung sagen kann, und sei sie auch noch so trivial, dumm oder gar falsch.

Unter Freunden

Besonders schlimm ist allerdings die Tatsache, dass das US State Department seinem Personal anordnet, Kreditkarten-Informationen, Vielflieger-Kundennummern sowie E-Mail- und Telefonverzeichnisse von wichtigen Personen zu sammeln. Hiermit wird der schmale Grat zwischen Diplomatie und Spionage deutlich überschritten. Der hierdurch entstandene Schaden für das Ansehen der USA in der Welt wird schwer wiedergutzumachen sein. Besonders, wenn es sich bei den Ausspionierten um „Freunde“ handelt.