Die Zeit der Bilanzen

Die Zeit der Bilanzen
(Alain Rischard)

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Zu viel Geld in Luxemburgs Fußball?

Deutliche Worte findet FLF-Chef Paul Philipp im Tageblatt-Interview, wenn er die Bilanz der Fußball-Meisterschaft 2016/2017 zieht. Es werde zu viel über Geld gesprochen im Luxemburger Fußball, so eine Aussage des Präsidenten des größten Sportverbandes des Landes. Zu viele Transfers seien ein weiterer Grund, weshalb die Zuschauerresonanz wenig zufriedenstellend sei.

Selbst wenn die Statistiken der letzten Jahre eher eine Stagnation denn einen dramatischen Rückgang der Zuschauerzahlen dokumentieren, so ist es wohl wahr, dass auf vielen Fußballplätzen der Eliteklasse Sonntag für Sonntag Tristesse herrscht, und das trotz inzwischen erfreulich vieler Fan-Gruppierungen, die zumindest für etwas Stimmung auf den Rängen sorgen. Während der Luxemburger offenbar kein Problem damit hat, über 1.000 km im Bus zu sitzen, um ein Bundesligaspiel zu besuchen, findet er den Weg in die heimischen Stadien nicht.

Das hat vielleicht ein wenig mit Geld zu tun, ist aber vor allem eine Frage der Identifikation. Denn die Jungs aus dem Dorf sucht man meist vergeblich in den Aufgeboten. Schlimmer noch, es werden so viele Transfers getätigt, dass sich der Zuschauer fast jedes Jahr an ein komplett neues Team gewöhnen muss. Da geht die Identifikation mit der eigenen Mannschaft schnell verloren und das Geld wird zum Gesprächsthema. Wie könnte es auch anders sein, wenn vier Mannschaften der BGL Ligue mit einem Jahresbudget von über einer Million Euro funktionieren und inzwischen Netto-Gehälter von bis zu 7.500 Euro gezahlt werden. Mit Amateur-Fußball hat das nichts mehr zu tun. Und wenn die Leistungen auf dem Spielfeld dann nicht stimmen, die Spieler nach der Partie schnell verschwunden sind, dann rechnet der gewöhnliche Zuschauer gerne den Stundenlohn der Fußballer aus und vergleicht ihn mit seinem eigenen …
In Sachen Geld jedenfalls bewegt sich die Luxemburger Meisterschaft, wie übrigens die allermeisten Championate in Europa, auf dünnem Eis. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander, echte Chancengleichheit besteht dabei keine, was der Attraktivität der Liga nicht gerade förderlich ist.

Zu den armen Kirchenmäusen gehört inzwischen auch Jeunesse Esch. Der Rekordmeister legte eine der schlechtesten Spielzeiten der ruhmreichen Vereinsgeschichte hin und hatte in der Endabrechnung lediglich sechs Punkte Vorsprung auf einen direkten Abstiegsplatz. 15 Cheftrainer verschlissen die Schwarz-Weißen seit 1999, ein langfristig ausgelegtes sportliches Konzept vermisst man demnach bei den Eschern seit über 15 Jahren. Inzwischen steckt der Karren so tief im Dreck, dass man sich die Unterstützung vom Mäzen des Erzfeindes aus Düdelingen sichern musste, um in der nächsten Saison überhaupt ein mehr oder weniger konkurrenzfähiges Team zu stellen. Dabei braucht der Luxemburger Fußball eine starke Jeunesse, sind die Escher doch nach wie vor der Verein mit der größten Fanbasis im Land.

Die erste Geige aber spielten in der eben zu Ende gegangenen Saison andere: Ortsrivale Fola, die bärenstarken Differdinger und der F91 Düdelingen, der seinen 13. Meistertitel in der noch jungen Vereinsgeschichte einfuhr. Gespannt darf man sein, wie dieses Trio und der ambitionierte Progrès im europäischen Vergleich abschneiden werden. In den Europapokalspielen zeigt sich das wirkliche Niveau des Luxemburger Fußballs. Mit den Budgets sind auch hier die Ambitionen gestiegen. Angestrebt wird in der Regel die Qualifikation für die nächste Runde, was vor nicht allzu langer Zeit quasi ausgeschlossen war. Immerhin ein gutes Zeichen bei all den anderen Problemen.