Die Verbündeten

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Seit etwas mehr als hundert Tagen ist die Kommission von Jean-Claude Juncker bereits im Amt. Sein Weg dorthin gestaltete sich schwierig. Auch wenn derzeit der durch die LuxLeaks-Enthüllungen erzeugte Druck auf Juncker etwas abgenommen hat, die Geschichte um die luxemburgischen Steuerrulings ist für den EU-Kommissionspräsidenten noch nicht ausgestanden. Es wird der Zeitpunkt kommen, an dem die EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager die Ergebnisse der Untersuchungen über die luxemburgischen Steuervorentscheide für Amazon und Fiat Finance Trade vorlegen muss. Sollte sich herausstellen, dass es zu Unrecht zu Steuernachlässen gekommen ist, dürfte die Kritik an Juncker wieder zunehmen. Es werden sich die Unzufriedenen zu Wort melden und Junckers Rücktritt fordern, obwohl dies über die Maßen unverhältnismäßig wäre, da bislang noch nie ein Regierungschef oder auch nur ein Finanzminister in einem EU-Staat seinen Hut nehmen musste, nachdem die Brüsseler Wettbewerbsbehörde unerlaubte staatliche Förderungen in welcher Form auch immer aufgedeckt hat. Dennoch sollte die Dynamik von Rücktrittsforderungen im Zusammenhang mit ungezahlten Steuern in weiterhin wirtschaftlich lauen Zeiten nicht unterschätzt werden.

Guy Kemp gkemp@tageblatt.lu

Jean-Claude Juncker hatte, auch nach den Schwierigkeiten einiger Granden aus den Reihen der Staats- und Regierungschef, ihn zu akzeptieren, seine Präsidentschaft, die erstmals den Hauch einer demokratischen Legitimität erhalten hatte, samt seiner neuen Mitstreiter in Brüssel als die Kommission „der letzten Chance“ bezeichnet. Womit er vor allem sich, angesichts der Startschwierigkeiten, aber auch den Seinen sicherlich einen gewissenen Grad an Unantastbarkeit verleihen wollte – mit der Übersetzung: Scheitere ich, scheitern wir alle, womit das europäische Projekt erheblichen Schaden erleiden würde. Den sicherlich die meisten nicht wollen. Die „Kommission der letzten Chance“ ist aber nun zum Erfolg verdammt. Denn sie wird sich gegen Ende der Mandatsperiode daran messen lassen müssen, ob sie ihre Chance genutzt hat und wie versprochen die europäischen Bürger wieder mit der Union versöhnen konnte. Dabei könnte dem Kommissionspräsidenten ausgerechnet Alexis Tsipras helfen, der neue griechische Regierungschef. Dessen Bürger sind wegen des Spardiktats wütend auf Brüssel und die EU. Tsipras will einen Politikwechsel herbeiführen und den auferlegten Sparkurs beenden. Dazu sucht er Verbündete. Und Jean-Claude Juncker bietet sich an. Er redet, wie die Griechen, gegen die derzeitige Form der Troika an und zeigt sich bereit, der neuen griechischen Regierung bei ihrem Politikwechsel zugunsten der notleidenden Bevölkerung entgegenzukommen. Er wird also, wie er es sich für seine Kommission wünscht, Politik betreiben können, ja müssen. Wozu er den Einfluss, der ihm durch sein Amt zur Verfügung steht, in die Waagschale werfen muss. Sollten die Griechen zufriedengestellt werden, würde Jean-Claude Juncker nicht nur seinem Ziel näherkommen. Auch sein Ansehen und seine Position gegenüber weniger wohlgesonnenen Regierungschefs könnten gestärkt werden. Wenn nicht, wird sich der Frust ausbreiten und das Heer der Unzufriedenen in der EU weiter anwachsen.