/ Die Guillotine heilt Migräne

Sicher, diverse griechische Regierungen haben gelogen und betrogen, was das Zeug hielt, als es darum ging, Brüssel über die Lage ihrer Volkswirtschaft im Allgemeinen und ihrer Staatsfinanzen im Besonderen zu informieren.
Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu
Sicher, vielen Griechen hätte doch klar sein müssen, dass die kollektive Luftnummer, die da inszeniert wurde, auf Dauer nicht gut gehen konnte. Das hätte indes den EU-Politikern, die mit ihren griechischen Kollegen bei unzähligen Rats- und Gipfeltreffen zusammenhockten, mindestens ebenso rasch auffallen müssen.
Doch nun steckt die Karre im Dreck, und es scheint gegenwärtig niemand so recht zu wissen, wie die Lösung aussehen soll. Eines müsste eigentlich jedoch klar sein: Man kann kein Land retten, indem man es schlicht und ergreifend verrecken lässt. Das wäre, als ob man die Guillotine als Heilmittel gegen chronische Migräne empfehlen würde: Rübe ab, und dieselbe schmerzt niemals mehr!
Genial, nicht wahr!
Heute die Griechen, morgen wir!
Aber jetzt mal im Ernst: Die Frage ist ja nun, ob man tatsächlich Griechenland retten kann, indem man die griechische Gesellschaft zerstört. Die Antwort scheint evident.
Und doch fällt den Vereinten Europäern derzeit nichts Besseres ein als der Versuch, den ohnehin schon nackten Hellenen in die Tasche zu greifen. Und sich nachher zu allem Überfluss schwerstens darüber zu ereifern, dass dort kaum waszu holen ist.
Der US-Offizier, der einst feierlich erklärte, dass seine Armee die alte vietnamesische Kaiserstadt Hue leider erst habe zerstören müssen, um sie schließlich retten zu können, gilt heute als der Archetyp des militärischen Brunzkopfes – obwohl der Mann vermutlich über eine hervorragende Ausbildung nebst einer nicht übertrieben schlichten Intelligenz verfügte. In Europa scheinen gegenwärtig Legionen brillanter Politiker, Bonzen und Technokraten damit beschäftigt zu sein, die Rettung Griechenlands ins Werk zu setzen … indem man dieser Nation die Luft zum Atmen abwürgt.
Auch der primitivsten Krämerseele müsste nun aber doch einleuchten, dass man aus keinem Schuldner weniger rausholen kann als aus jenem, den man ab initio seiner Fähigkeit, Geld zu verdienen, mutwillig beraubt hat.
Was derzeit im Vereinten Europa abläuft, erfüllt mithin den Tatbestand der vorsätzlichen Beknacktheit. Was an und für sich ja schon schlimm genug wäre.
Aber: Hier droht ja mitnichten nur Griechenland über die Klinge zu springen. Vielmehr sollen erst die Griechen ausgeblutet werden, dann die Portugiesen, die Italiener die Spanier, die Franzosen … und am Ende werden auch die reichen Luxemburger nicht verschont bleiben.
Die gegenwärtige Schuldenkrise hat nämlich eine verdeckte Stoßrichtung: Es geht durchaus nicht nur darum, irgendwelchen Südländern ihr mutmaßliches Lotterleben abzugewöhnen, es geht vielmehr darum, generell die Axt an das europäische Modell des Sozialstaats zu legen und auch auf unserem Kontinent ein nach US-amerikanischem Vorbild strukturiertes Gesellschaftsmodell einzuführen, in dem eine dünne Oberschicht in Überfluss schwelgt, während die große Mehrheit tagaus, tagein mit dem Mut der Verzweiflung darum kämpfen muss, nicht kieloben zu gehen.
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