Die EU bleibt eine Baustelle

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Als vor rund fünf Jahren mit dem Untergang der US-Investmentbank Lehman Brothers die weltweite Banken- und Finanzkrise begann, brach in der Europäischen Union die letzte Etappe eines fast zehn Jahre dauernden Versuchs an, das europäische Integrationsprojekt auf die Zukunft vorzubereiten. Demokratischer sollte die EU werden, das Europäische Parlament erhielt mehr Mitbestimmungsrechte und die Mitgliedstaaten gaben vor allem im Bereich der Justiz- und Innenpolitik mehr Kompetenzen in die Hände ihrer Gemeinschaft. Außenpolitisch sollte das Europa der damals 27 geeinter und hoffentlich auch entschlossener auftreten.

Mit der Banken- und Finanzkrise stellte sich bald ebenfalls eine Wirtschaftskrise ein. In vielen Ländern mussten die Steuerzahler nicht nur Milliardensummen zur Rettung ihrer Banken bereitstellen. Um die Wirtschaft zu stützen, wurden staatlicherseits auch Konjunkturprogramme aufgelegt. Und in so manchen Euro-Staaten wurden jahrelange Anstrengungen, die Schulden zu reduzieren, auf einen Schlag zunichtegemacht. Zu allem Überfluss offenbarte sich Ende 2009 nach dem Regierungswechsel in Griechenland, dass doch über Jahre hinweg Statistiken gefälscht und falsche Budget- und Defizitzahlen weitergereicht wurden. Es begann die Schuldenkrise, die verdeutlichte, dass die EU in einem ihrer vitalsten Bereiche noch lange nicht so geeint ist, wie sie es für ein gutes Funktionieren sein müsste.

Nationalstaaten haben zu viel Gewicht

Seitdem wurde viel Flickschusterei betrieben. Es wurden unter dem Druck der Ereignisse neue Regeln und Pakte verabschiedet, die allerdings nicht den Kern des Problems lösen. Dass nämlich noch mehr einzelstaatliche Kompetenzen vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht an die Union übertragen werden müssen, die letztendlich auch von den dafür vorgesehenen EU-Institutionen wahrgenommen werden müssen.

Dagegen aber scheinen sich vor allem die großen EU-Staaten zu sträuben. Dass Großbritannien ohnehin eher weniger als mehr Europa anstrebt, ist eine Konstante der britischen Europapolitik. Die Krisenjahre haben aber gezeigt, dass die Nationalstaaten zunehmend das Zepter in der Hand behalten wollen. Das liegt zum einen an einem eher schwachen EU-Kommissionspräsidenten, der nicht führen, sondern geführt werden wollte. Auch wenn José Manuel Barroso gerne im Europäischen Parlament seine sicherlich authentische Überzeugung und ernst gemeintes Engagement für Europa zur Schau stellt, so hat er es doch verpasst, von seiner Position als EU-Kommissionspräsident zu profitieren und jene Vorschläge für eine Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion vorzulegen, die nötig sind. Zum anderen wurde mit der Schaffung eines Präsidentenpostens für den Europäischen Rat und der Erhebung eben dieses Rates zu einer Institution geradezu einer Renationalisierung in der EU Tür und Tor geöffnet. Sehr zum Leidwesen jener, die dem gemeinschaftlichen Handeln das Wort reden.

Hier Änderungen vorzunehmen, müsste eigentlich zu jenem Diskussionsstoff gehören, der die kommenden Europawahlen prägen könnte. Ob Europa richtig geführt wird, ist nicht nur eine Frage des politischen Personals, sondern auch seiner Strukturen. Und wenn dort die Nationalstaaten zu viel Gewicht erhalten, bedarf es einer Korrektur. Damit müsste über Vertragsänderungen geredet werden, eine Diskussion, die ohnehin stattfinden muss, wenn nach den Lehren, die aus der Krise gezogen wurden, die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion umgesetzt wird. Die Konstruktion Europas ist noch lange nicht abgeschlossen.