Der Weg des Geldes

Der Weg des Geldes

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Wachstumsperspektiven der USA und Europas sind vergleichbar mit sehr zarten Pflänzchen. Sicher, die US-Wirtschaft zeigt eine gewisse Robustheit, während Europa noch immer mit sich selbst beschäftigt ist.

Doch auch bei uns ist nicht unbedingt alles schlecht. Momentan geht aber mal wieder die Frage um, ob die Weltwirtschaft wieder vor einem Wintereinbruch steht.

Sascha Bremer sbremer@tageblatt.lu

Einst genügte ein Aufschwung der US-Wirtschaft, um als Zugpferd für den Rest der Welt zu dienen. Ist dem heute noch so? Der Aufschwung und die Krisen der Schwellenländer haben in den letzten anderthalb Dekaden gezeigt, welch starken Einfluss die Entwicklung in Ländern wie Argentinien, der Türkei, Indien, Brasilien und Indonesien global gesehen haben. Ganz zu schweigen von China.

Das neue, komplexere Gefüge der Weltwirtschaft erschwert es so manchem, in Optimismus zu verfallen, besonders jetzt, da der Westen kaum aus seinen wirtschaftlichen Problemen raus ist und eben jene fünf und mehr Länder in Schwierigkeiten geraten. Nicht unkompliziert, wenn man bedenkt, wie wichtig die Psychologie aller Akteure für die Wirtschaftsabläufe ist.

Wie so oft kann man den Zeitpunkt für den Beginn der Probleme dieser fünf – und nicht nur dieser – Länder ziemlich genau datieren. Wie so oft ist der Auslöser monetärer Art. Vor nicht mal einem Jahr hat die US-amerikanische Fed signalisiert, es sei jetzt vorbei mit der Gelddruckmaschine, man würde wieder in eine Phase eintreten, in der die Zinsen erhöht werden. Seit damals im Mai sucht sich das „billige“ Geld, das einstweilig Zuflucht in den Schwellenländern gefunden hatte, wieder neue Wege – etwa im Aktienmarkt – und hinterlässt eine Spur der Zerstörung.

Die Folge der Fed-Politik ist ein Wertverlust der indischen Rupie, der türkischen Lira, des brasilianischen Real, des argentinischen Peso, des südafrikanischen Rand usw. gegenüber dem Euro und dem Dollar im zweistelligen Prozentbereich, je nachdem. Damit steigen die Auslandsschulden dieser Länder und es wird weniger importiert. Im Gegenzug exportieren die USA und Europa dann allerdings auch weniger.

Konsequenzen für die Eurozone

Das Abfließen des Geldes hat allerdings auch die inneren Probleme dieser Länder verdeutlicht. Wie viel Geld wurde in Projekte – die Sportinfrastruktur in Brasilien etwa – gesteckt, die nur kurzfristig der Wirtschaft zugute kamen, wie wenig wurde getan, um langfristiges Wachstum zu sichern? Ein Szenario, das einem eigentlich bekannt vorkommen müsste – man denke nur an Spanien. Hinzu kommen innenpolitische Probleme in der Türkei, Thailand, Argentinien und der Ukraine – und in jedem Fall wird sich kräftig von außerhalb der Grenzen eingemischt.

Eine vertiefte Krise der Türkei z.B. hat auch ihren Einfluss auf die Eurozone. Sollte die türkische Lira weiter an Wert einbüßen, dann wären u.a. Zypern und Griechenland direkt betroffen. In den beiden Mittelmeerländern funktioniert eigentlich fast nur noch der Tourismussektor als großer geldeinbringender Wirtschaftszweig. Ein weiterer Verfall der Lira würde der Türkei einen immensen Wettbewerbsvorteil beim Tourismus verschaffen. Eine Situation, welche die wirtschaftliche Misere in Zypern und Griechenland verschlimmern würde, da beide den Euro haben und nicht einfach abwerten können. Dies würde dann wieder die Perspektiven dieser Länder in puncto Schuldenmisere verdüstern, die Rezession würde sich vertiefen usw. Die Abwärtsspirale dürfte bekannt sein.

Und die Eurozone? Momentan bereitet vor allem die äußerst niedrige Inflation Sorgen. Seit Monaten schon zeichnet sich ein mögliches deflationäres Szenario ab – wohl nicht unbedingt für Luxemburg, aber für die gesamte Währungszone. Bei einer Inflation von nur 0,8 Prozent ist der Punkt, ab dem das Preisniveau rückläufig ist, nicht mehr so weit. Weder wird in den Ländern, die es sich erlauben könnten, genug konsumiert, noch wird genügend investiert. So mancher Konzern sitzt auf prall gefüllten Taschen, während viele Unternehmen, die investieren möchten, kaum an Kredite gelangen. Die Unternehmensfinanzierung ist in vielen Ländern der Eurozone mausetot, die Banken parken das von der EZB geliehene Geld gleich lieber bei der Zentralbank. Gut möglich, dass ein Schock in der Ukraine, in der Türkei oder in einer anderen größeren Volkswirtschaft weit außerhalb Europas genügen würde, um Europa in die Deflation zu stürzen. Viel enger als von manchem gedacht, ist man mittlerweile wirtschaftlich verbunden, die Globalisierung macht’s möglich. Dann allerdings kann man einigen Aspekten der EU-Verträge wohl gute Nacht sagen. Die Politik und die EZB werden sich dann im Jahr der Europawahlen was einfallen lassen müssen.