Der Reigen geht weiter

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Ja sind wir denn schon wieder im Jahre 2007? Wenn es den großen Börsen-Indizes nach geht, ja. Schaut man sich allerdings die wirtschaftliche Lage des Westens an, muss man sagen: nein. Die Börsen sind wieder mal gegenüber der realen Wirtschaft losgelöst.

Für diese Diskrepanz gibt es natürlich viele einleuchtende Erklärungen, die von morgens bis abends von den einschlägig bekannten Finanzexperten und anderen Taxifahrern in Funk und Fernsehen heruntergeleiert werden. Diese sind nicht unbedingt falsch, zeichnen allerdings nicht unbedingt das ganze Bild – eine Tatsache, die für den Laien, der sein Geld an der Börse anlegt, in den meisten Fällen fatal ist.

Sascha Bremer sbremer@tageblatt.lu

Warum also die Rekordkurse? Zwei Gründe werden in letzter Zeit häufig gerne vorgeschoben. 1. Weil das Geld so billig ist und die, welche etwas davon haben, eben nicht mehr wissen, wohin damit, ohne dass es die Inflation auffrisst. 2. Die börsennotierten Konzerne sitzen auf einem Haufen Geld. Weil die meisten Konzerne weltweit gesehen in den letzten fünf Jahren dennoch prächtige Geschäfte gemacht haben und weil sie wussten, dass die Banken eher klamm waren, wurde Geld gehortet. Viele Investoren versprechen sich langfristig einen höheren Börsenkurs, sollte dieses Geld investiert werden. Oder viel besser noch: die Ausschüttung von saftigen Dividenden.

Wie gesagt, diese Argumentation mag richtig sein, doch wir befinden uns eben nicht mehr im Jahre 2007, die meisten Börsenkurse haben sich ja längst erholt. Viele riskieren, zu spät auf diese Welle aufzuspringen, wie so oft dürften dies vor allem Kleinanleger sein.

Deshalb kann man das Ganze natürlich auch völlig anders sehen. Man kann demnach auch behaupten, dass die Aktienmärkte die einzig verbliebenen Märkte sind, wo man einem gutgläubigen Dummen noch so richtig das Geld im großen Stil aus den Taschen ziehen kann. Denn eines ist gewiss, die nächste Blase kommt bestimmt und mit ihr der nächste Crash. Klug, wer seine Schäfchen bis dahin nicht nur bereits im Trockenen, sondern sie vorher auch noch vermehrt hat.

Wetten, dass man unter den Verlierern des nächsten Crashs nicht einen vorfindet, der sich auf der Forbes-Liste der reichsten Individuen befindet. Nun gut, bei einem Börsencrash mag auch unter ihnen der eine oder andere sich kurzfristig unter den „Geschädigten“ wiederfinden. Etwas macht einen nämlich ziemlich stutzig. Vergleicht man die Forbes-Reichen aus dem Jahr 2007 mit den heutigen, so mögen einzelne unter ihnen wohl um 10, 20 oder 30 Plätze nach vorne oder hinten durchgeschoben worden sein. Einen Totalausfall des Vermögens gab es aber bei keinem. Mehr noch, die allermeisten haben seit 2007 ihr Vermögen sogar substanziell vergrößern können.

Keine Politik, die funktioniert

Die Superreichen müssen entgegen den Normalsterblichen, die seit 2007 nicht nur Federn gelassen haben, sondern ihre Altersvorsorge sprich ganz einfach ihr Erspartes im Zuge der Finanzkrise verloren haben, einfach bessere Anlageberater haben. Oder sind es am Ende nicht doch sie, die sich in Absprache mit Großbanken auf Kosten anderer bereichern, auch auf den Aktienmärkten? Aber das würde ja fast einer Verschwörungstheorie gleichkommen.

Währenddessen quälen sich mittlerweile die meisten europäischen Gesellschaften durch das sechste Jahr der Krise. Die Frage, die sich aufgeklärte Kommentatoren angesichts der Austeritätspolitik in halb Europa mit Recht stellen, ist: Falls diese Politik tatsächlich funktioniert, wie sieht dann erst eine Politik aus, die nicht funktioniert? Vielleicht sollte man um Nachhilfestunden bei den Superreichen bitten? Vielleicht ist es aber gerade dieser Schritt, der uns unsere heutige Situation erst eingebrockt hat.