Der langen Rede Sinn

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Zwei Stunden lang sprach der Premier zur Lage des Landes. Er streifte sozusagen alle Bereiche des politischen Lebens, vertiefte nur weniges und ließ viele Fragen offen.

An sich haben wir daran nichts auszusetzen. Die neue Regierung ist erst kurze Zeit im Amt; sie hätte sich dem Ritual der Juncker’schen Verlautbarung leicht entziehen können, mit dem Verweis auf die Notwendigkeit, die ungelösten Probleme gründlicher studieren zu müssen, als das in den paar Monaten möglich war.

Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Bettels Rede kommt demnach eher einer umfassenden Bestandsaufnahme näher als dem erwarteten Programm. Obwohl wer Gespür hat für Feines durchaus die Leitgedanken der Dreierkoalition für die großen Reformen aus dem 58 Seiten umfassenden Text herauslesen kann.

Luxemburg ist aus der Sicht der blau-rot-grünen Allianz eine politische Großbaustelle. Nach 34 Jahren erdrückender CSV-Vorherrschaft gibt es kaum einen Bereich, der nicht irgendwie reformbedürftig wäre. Die z.T. erschreckenden Fehlentwicklungen ( Stichworte: Staatsfinanzen, Arbeitslosigkeit, Bildung und Ausbildung, Einwanderung, Re-Industrialisierung, Forschung, Umweltschutz, öffentlicher Transport, Wohnungsmarkt, Kleinkriminalität usw., usf.) sind keine über Luxemburg hereingebrochenen Naturereignisse, sondern Folgen der hausgemachten falschen Politik.

Man kommt bei der Analyse des Hintergründigen nicht daran vorbei, die verhängnisvolle Rolle des EU-Ministerrates und der EU-Kommission an den Pranger zu stellen. Beide von Christdemokraten und Konservativen geführte Gremien haben mit der von ihnen gewollten Austerität eine Riesenschuld auf sich geladen.

Sie standen und stehen im Dienst jener neoliberalen Wirtschaftskräfte, welche die EU-Staaten zum Abbau ihrer Dienstleistungen, Sozialsysteme und Investitionsvorhaben zwingen. Ziel dieser äußerst finanzstarken, maximalprofitorientierten Kreisen ist es, die Privatisierung à l’américaine voranzutreiben, so weit es nur geht.

Diese EU-Politik, zu deren eifrigsten und vordersten Betreibern „unser“ Juncker mit seinen deutschen Freunden gehört, hat den finanziellen Spielraum der Regierungen, der luxemburgischen wie der andern, dermaßen verengt, dass überall Unfrieden entsteht und die jeweiligen politischen Ohn-Machthaber in denselben Topf geworfen werden. Am Beispiel Frankreich, wo die Rechtsradikalen der Le Pen eben Wahlsiegorgien feiern konnten, ist ersichtlich, wohin das alles führt.

Nun ist es natürlich so, dass sich Kleinststaaten wie Luxemburg noch weniger als andere gegen die schädlichen Vorschriften Brüssels in Sachen Budget wehren können als die Großen. Das wissen wenige besser als die beiden CSV-Koryphäen Juncker und Frieden, die über zehn und mehr Jahre den Raubbau auf höchster EU-Ebene mitgestalteten.

Umso schändlicher wirken dann Auftritte wie der gestrige des CSV-Fraktionschefs, der vor den Wahlen hoch und heilig versprach, die Oppositionsbank zu drücken, und nun auf ein EU-Amt aus ist wie der Teufel auf eine Seele. Der Besserwisser täte gut daran, sich eine längere Schweigepause in Luxemburger Dingen aufzuerlegen!

Vertrauensvorschuss im Test

Wir glauben gerne, dass die programmatisch jetzt eng verbundenen Koalitionäre das Land in wichtigen Sparten modernisieren können und werden. Sie werden ihre finanziellen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Ziele erreichen, wenn sie nicht gravierende sozialpolitische Fehler machen.

Gerade jetzt, wo die Minister in die ganze Welt reisen, um die Vorteile zu preisen, die Luxemburg Investoren bietet, sollte nichts passieren, nichts zugelassen werden, was den sozialen Frieden gefährdet.

Wir wünschen dem Premier und seinen Kollegen den Mut, in gewissen Punkten, und dazu gehört der Index, auf der richtigen Seite zu stehen.

Auf der ihrer Wähler.