/ Der große Reibach
Zur Auswahl stehen aber ebenfalls seine Teamkollegen Pascal Feindouno, Gabri, Stefan Glarner, José Gonçalves und Billy Ketkeophomphone, sodass – wenn es denn wirklich so weit kommen sollte – wohl eher die Rede von einem „Fall Sion“ sein wird.
Claude Clemens cclemens@tageblatt.lu
Wie dem auch sei, der „Fall Sion“ wird die Sportwelt noch einige Zeit beschäftigen. Eine Sportwelt, die sich gerne auf ihre Spezifität beruft, diese auch ansatzweise in den EU-Verträgen seit dem Lissabon-Vertrag erhielt, und deshalb mehr oder weniger oft vor eine Zerreißprobe gestellt wird, wenn ein Akteur dieser Sportwelt den Weg über normale sprich zivile Gerichte wählt, wenn ihm etwas nicht passt.
Das war bei Jean-Marc Bosman der Fall, der bis vor den Europäischen Gerichtshof zog, dessen Entscheid 1995 das bis dahin bestehende Transfersystem im Fußball aus den Angeln hob. Rechtliche Grundlage war die Arbeitnehmerfreizügigkeit: Die freie Wahl des Arbeitsplatzes muss EU-weit möglich sein.
In Sachen FC Sion kommt das gerichtliche Brimborium womöglich noch komplizierter daher. Der ganze Schlamassel geht eigentlich zurück auf ein FIFA-Urteil. D.h. des Fußball-Weltverbandes. Mit dessen Umsetzung war die Schweizer Liga betraut – die sich daraufhin im Konflikt mit dem umtriebigen Sion-Präsidenten Constantin sah, der via Sport-Gerichtsbarkeiten nicht zu dem von ihm gewünschten Resultat kam und seine sechs betroffenen Spieler anhielt, vor ein ziviles Gericht zu ziehen. Mittlerweile hat der „Fall“ einen weiteren Verband, den europäischen (UEFA), erreicht.
Profis und Amateure trennen?
Auch die höchste Sportgerichtsbarkeit, das „Tribunal arbitral du sport“ (TAS) in Lausanne, ist – natürlich – befasst. Ein definitives Urteil hat auch dieses noch nicht gefällt. Macht es dies, und es gefällt dem umtriebigen Sion-Präsidenten Constantin nicht, hat Letztgenannter bereits angekündigt, gegebenenfalls vor das Schweizer Bundesgericht zu ziehen.
Das haben auch andere schon versucht, ohne Erfolg – noch nicht, ist man geneigt zu sagen. Sollte irgendwann das Schweizer Bundesgericht einmal eine TAS-Entscheidung für ungültig erklären, wäre auch die Autorität dieses letztinstanzlichen Sportgerichts untergraben und ausgehöhlt.
Will der Sport seine Spezifität „behalten“, wäre ein solcher Fall dem nicht unbedingt förderlich. Sport hat eine soziale und pädagogische Komponente, beruht zu einem großen Teil auf freiwilligem Engagement – der Amateursport, wohlgemerkt. Der Profisport steht hier fast schon außen vor. Ein Argument des (Profi-)Sports wider das Bosman-Urteil war u.a., dass Sportvereine nicht mit Wirtschafts-Unternehmen gleichzusetzen seien. Da lachten 1995 schon die Hühner, und heute, 2011, kriegen sie sich gar nicht mehr ein vor Lachen, wenn sie sich die Bilanzen von Real Madrid und Manchester United ansehen oder den Weg, den der globalisierte Radsport dabei ist zu beschreiten.
Auswirkungen auf den Amateursport hatte das Bosman-Urteil übrigens keine. Zwar wurde bereits oft diskutiert, wo Amateursport endet und Profisport anfängt, zu einem schlüssigen Ergebnis kam man aber noch nicht.
Wäre nicht dort vielleicht ein Ansatz für die Zukunft? Amateur- und Profisport trennen? Denn die Regeln, die für Profis gelten, machen bei Amateuren nicht mehr immer Sinn. Das Gleiche würde dann für die Gerichtsinstanzen gelten. Den Sport, wo der große Reibach gemacht wird, vom reinen Amateurtum trennen. Vielleicht ein zu radikaler Gedanke, aber sowohl im „Fall Bosman“ wie im „Fall Sion“ ging und geht es schlussendlich um sehr viel Geld …
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