Demokratie und Wahlrecht

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In wenigen Jahren wird der Anteil der Ausländer, die in Luxemburg leben und arbeiten – und dadurch, nebenbei gesagt, unser Sozialsystem mitfinanzieren – auf rund fünfzig Prozent angestiegen sein.

Vom demokratischen Standpunkt her keine gesunde Situation, wenn die Hälfte der Bevölkerung vom politischen Leben ausgeschlossen ist.

Claude Molinaro cmolinaro@tageblatt.lu

Eines der erklärten Ziele der Regierung ist die Einführung des Ausländerwahlrechts. Wir würden das erste Land werden, das dies einführe, heißt es von Seiten der Gegner. Erstens stimmt das nicht und zweitens: Was wäre denn so schlimm, wenn wir mal die Ersten wären? Auch beim Frauenwahlrecht musste jemand den Anfang machen. (Die Ersten waren übrigens im Jahr 1839 die Bewohner der südpazifischen Pitcairn-Inseln, die damals noch zum britischen Königreich gehörten.)

Da die Frage unweigerlich mit der Verfassungsreform zusammenhängt, meinten einige Internet-Kommentatoren voreilig, das Ausländerwahlrecht werde in die Verfassung eingeschrieben. Vielleicht ist dem so, vielleicht aber auch nicht.

Erstens ist noch gar nicht geklärt, wie das Wahlrecht überhaupt in der Verfassung auftauchen wird. Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder wird in das Grundgesetz das Prinzip eingeschrieben, dass jeder, der hier wohnt, auch hier wählen darf, oder es wird lediglich einen Artikel geben, der besagt, ein spezielles Gesetz werde das Wahlrecht regeln. Bei dieser Variante besteht allerdings die Gefahr, dass eine andere Regierung das Gesetz einfach wieder ändert.

Bevölkerung wird gefragt

Wie auch immer: Will die Regierung das Ausländerwahlrecht ändern, muss sie dies über die Verfassung tun, da Art. 52 des Grundgesetzes u.a. vorschreibt: „Pour être électeur, il faut être Luxembourgeois ou Luxembourgeoise.“ Um das zu ändern, ist die Koalition auf die Stimmen der CSV angewiesen, denn eine Verfassungsänderung braucht eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament.

Die gute Nachricht der Gegner des Ausländerwahlrechts lautet: Sie dürfen bei mindestens einem, wenn nicht sogar zwei Referenden ihre Meinung dazu sagen. Das erste wird in der ersten Hälfte des nächsten Jahres stattfinden. Die Regierung hat angekündigt, sie wolle das Urteil auf jeden Fall respektieren und erst daraufhin dem Gesetz zur Verfassungsreform (in der es um viel mehr als nur Ausländerwahlrecht geht) den letzten Schliff verpassen. Über eine Verfassungsreform muss das Parlament zweimal abstimmen. Die zweite Abstimmung kann durch ein Referendum ersetzt werden, falls ein Viertel der Abgeordneten es fordern. Hier erhalten also alle Bürger zum zweiten Mal die Gelegenheit, ihre Meinung dazu zu äußern. Während das erste Referendum nur eine Art Meinungsumfrage ist, wäre das zweite rechtlich bindend.

Wenn es dann dazu kommt: Erhält die Verfassungsreform keine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament, wird es ein zweites – rechtlich bindendes – Referendum erst gar nicht geben.

Beim Ausländerwahlrecht geht es um ein demokratisches Prinzip. Wollen wir wirklich Menschen aufgrund ihrer Nationalität vom politischen Leben ausschließen, obwohl sie vielleicht bald in der Mehrheit sind? Von den Spannungen, zu denen das führen kann, erst gar nicht zu reden. Jeder, der in einer Gemeinschaft lebt, soll auch das Recht haben, über das Leben in dieser Gemeinschaft mitzubestimmen.