Demokratie im Defizit

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Und wieder trat er mit bruchstückhaftem Zahlenwerk vor die Presse, der Finanzminister: Ende Dezember vermelde der zentralstaatliche Haushalt 12.497,2 Millionen an Ausgaben bei 12.272,4 Millionen an Einnahmen; allerdings bleibe auf der Debet-Seite noch eine dicke Milliarde zu verbuchen; man solle sich auf ein Defizit von 1,4 bis 1,6 Milliarden einstellen, ein geringeres als im November befürchtet.

Aus unserer Sicht ist eine solche Darstellung ein typisches Beispiel des in Luxemburg grassierenden Demokratie-Defizits. Die Regierung missbraucht die Medien, um ihre Austeritätspolitik mit ungesicherten Teilrechnungen zu rechtfertigen.

In einer richtigen Demokratie, die in unseren Breitengraden keine andere sein kann als eine partizipative, gehört für die Entscheidungsfindung in wichtigen Fragen, wie negative Reformen es sind, alles auf den Tisch. Alles!
Zur Begriffsbestimmung: Partizipativ ist eine demokratische Staatsordnung, wenn die betroffenen Bürger, mitunter sind es alle, in den politischen Prozess eingebunden werden. Im Gegensatz zur majoritären Demokratie verzichtet die partizipative auf den schnellen Weg, der lediglich in der Verabschiedung des gewollten Gesetzes durch die parlamentarische Mehrheit besteht.

Noch deutlicher.
In einer majoritären Demokratie stehen kontroverse Themen wohl formal zur Debatte, sogar in Berufskammern und anderen Gremien, aber am Ende, gewöhnlich bereits nach ein paar Monaten, stimmen die Repräsentanten (bei uns die Koalitionsabgeordneten) ab, wie es von Anfang an gewollt war. Somit wird das Parlament zum Notariat der jeweiligen Regierung. Die gefassten Beschlüsse sind wohl legal. Aber nicht legitim, in vielen Fällen.
Die partizipative Demokratie, wie sie erfolgreich in der Schweiz praktiziert wird, fußt beileibe nicht nur auf der Referendum-Kultur. Sie will prinzipiell, dass man den Konsens auch in schwierigsten Fragen sucht, indem
alle Fakten offengelegt und der wirkliche Spielraum ausgelotet werden. Das kann sehr lange dauern, Jahre, aber am Ende steht die Majorität der Bürger mit der Majorität der Repräsentanten zum politischen Projekt, welches dann, dadurch, nicht nur legal ist, sondern auch legitim.

Gegenwärtig sind wir in Luxemburg weit entfernt von einer partizipativen Demokratie, weil deren erste Anforderung, die Transparenz, als etwas gilt, das man meiden sollte wie die Pest.
Der Finanzminister verweist nicht auf die beschämende Tatsache, dass seine Zahlen zum Zentralstaat (nicht zum Gesamtstaat, der sich in guter Verfassung präsentiert) nur Vereinskassenzahlen sind: Sie bescheinigen allein, was bis zum Stichtag in der Kasse registriert wurde und was die Kasse schon auszahlte. Bilanzzahlen, wie in der Privatwirtschaft üblich, würden die Forderungen und die Schulden einbeziehen. Dann hätte man Klarheit. Die darf es hier nicht geben!

Apropos Schulden:
Man könnte sie schön übersichtlich auflisten und in Kategorien darstellen, etwa nach folgendem, leicht verständlichem Muster:
1. Gesamtbetrag 31.12.2012, versus 2011, 2010, 2009.
2. Idem, in Prozent zum BIP.
3. Idem, in Prozent zu den Reserven der Pensionskassen, die ja zu einem Drittel aus Steuermitteln finanziert werden.
4. Idem, in Prozent zu den Buch- bzw. Börsenwerten, die sich aus dem angelegten Geld ergeben.
5. Liste der einzelnen Anleihen mit folgenden Informationen: Zweck, Währung, Betrag, Laufzeit, Zinssatz, Sondervereinbarung(en).
6. Zinskosten versus Zinserträge: Gesamtbild und investitionsbezogen. Was kostet die aufgenommene BGL-BNP-Paribas-Schuld, was bringt BGL BNP Paribas an Dividenden ein?
7. Liste der Staatsgarantien: Zweck, Währung, Laufzeit, Risiko-Einstufung (etwa nach dem Rating-Muster der Agenturen; ist die Dexia-Garantie, die Luxemburg in US-Dollar gab, eine AAA in dem Sinne, dass sie unproblematisch wäre?).

Es lohnt sich

Belassen wir es bei der biblischen Zahl Sieben, um die minimalen Anforderungen aufzuzeigen, die in unserer majoritären Demokratie nicht den Abgeordneten vorliegen, vielleicht nicht einmal allen Ministern, die aber in einer partizipativen Demokratie die Selbstverständlichkeit wären, für jeden, für alle.

Es lohnt sich in und für Luxemburg, das Demokratie-Defizit zu denunzieren und für ein Demokratie-Plus zu streiten.