Das Problem

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Schafft Wirtschaftswachstum Arbeitsplätze? – In Deutschland, Frankreich, Belgien und anderswo geht man davon aus, dass ein BIP-Plus von anderthalb Prozent recht gut ist und ein solches von zwei Prozent ein sehr gutes, das positive Folgen nicht nur für die Staatseinnahmen zeitigt, sondern auch den Arbeitsmarkt belebt. Gilt diese Regel auch in und für Luxemburg?

Es müsste dann 2010 ein Ende sein mit der groben wie der schleichenden Vernichtung von Stellen im Privatsektor, es würde wieder mehr Personal gebraucht, weil es mehr zu tun gäbe.
Laut jüngster OECD-Prognose stiege das Bruttoinlandsprodukt im nächsten Jahr um 2,4 (Statec: 2,1) und 2011 um 3,4 (Statec: 2,9) Prozent. Wer die Prophetenszene aufmerksam beobachtet, findet natürlich seinen Spaß daran, dass das Luxemburger Amt die Entwicklung vorsichtiger einschätzt als das übergeordnete internationale Institut, welches es selber mit Zahlen beliefert. Die EU-Experten sehen die Sache noch leicht anders, aber in einem sind sie sich einig: Es geht bergauf.
Wir bekennen uns gerne zu jener, von den liberalen Geldmachern verurteilten, aber noch nicht ausgestorbenen Spezies, die für eine sozial gerechte, vorrangig der Menschengesellschaft (die ist keine société anonyme,die hat Gesichter!) dienende Wirtschaft eintritt.
Wir tun das aus der Überzeugung heraus, dass ein ausbeutendes System – erkennbar daran, dass es die Reichen reicher macht und die Armen ärmer – erstens ethisch-moralisch nicht zu verteidigen ist und zweitens, sowieso, keinen Bestand haben kann: Die Geschichte lehrt, dass Profiteure irgendwann, zumeist plötzlich, weggefegt werden.
Damit ist die Frage der unternehmerischen Verantwortung in einer globalen Wirtschaft gestellt. Aber an wen wäre sie zu richten?
An die Manager, die vor Ort, in der luxemburgischen Filiale der international operierenden Bank oder des weltweit aufgestellten Industriekonzerns nur eines im Sinne haben, das, was ihre Karriere fördern oder zumindest retten kann?
An die Aktionäre? Wurden nicht unzählige Sparer zu Aktionären, seit das Sparbuch abgeschafft ist? Das Paradox kann durchaus folgendes sein: Ich, als kleiner Anleger, verlange implizit, via meinen Investmentfonds von der Firma x, dass sie y Rendite erwirtschaftet, via Abbau von Jobs, wenn es nicht anders geht, und verinnerliche überhaupt nicht, dass diese Logik zu meiner eigenen Entlassung führen müsste, wenn ich in dem Hause arbeitete. Das geschah bereits Millionen Mal in den USA und andern hoch entwickelten postindustriellen Staaten.
Luxemburg ist nicht mehr Herr über den privatwirtschaftlichen luxemburgischen Arbeitsmarkt.
Er hängt von der Summe der Entscheidungen ab, die unvorstellbar groß gewordene Unternehmungen treffen, mit dem Ziel, die Profite zu maximieren, für ihre Anteilhaber, die ganz bescheidene Leutchen sein können, und (zuvorderst) für ihre bonushungrigen Bosse. Man versuche mal, im Bekanntenkreis, luxemburgische, unabhängige, von Luxemburgern geführte Betriebe mit 100 oder mehr Angestellten zu nennen!
Der neue Arbeitsminister steht vor zwei gewaltigen Aufgaben. Sein Amt ist das schwierigste.

Nicolas Schmit braucht Unterstützung

Er muss versuchen, die Vermittlung der verfügbaren Stellen so zu gestalten, dass auch diejenigen, die ihren Platz verloren, eine echte Chance bekommen. Das luxemburgische System ist ja pervers: Einerseits produziert es Arbeitslose und andererseits rekrutiert es ungeniert und schnell in der Großregion, weil das einfacher ist.
Nicolas Schmit sollte den Bruch aller Tabus wagen. Er tue, was notwendig ist, koste es den Finanzminister, den Herrn Frieden, was gebraucht wird. Er klopfe dem Geld-vor-Arbeit-Patronat auf die Finger. Er nenne, statt nur Zahlen, auch Namen.
Es kann keine höhere Priorität geben als das Recht auf Arbeit.
Luxemburg wird auf die Dauer keine 20.000 Arbeitslosen (das ist die Wetten-dass-Zahl für übermorgen) verkraften. Wir hätten sie schon, wären die entlassenen Grenzgänger einbegriffen.
Differdingen und Düdelingen zählen je 20.000 Einwohner.
So groß ist DAS Problem.

Alvin Sold
asold@tageblatt.lu