Das Dilemma

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Luxemburg hilft den Überschwemmungsopfern in Pakistan mit technischem Gerät und menschlicher Expertise. Gerade eine Anlage zur Aufbereitung von Trinkwasser dürfte genau die Sorte von Hilfe darstellen, die im Augenblick an allen Ecken und Enden fehlt.

Das, was in Pakistan abläuft, ist dessen ungeachtet ein himmelschreiender Skandal: Eine Regierung, die unfähig ist, ihren eigenen Menschen aus der ärgsten Not zu helfen, verpulvert Unsummen für den Aufbau einer atomaren Streitmacht. Es gab einst Amerikaner, welche die Sowjetunion als „Obervolta mit Raketen“ verunglimpften. Nun, im Fall von Pakistan kommt diese Beschreibung der Realität schon auf erschreckende Weise nahe.

Internationale Hilfe ist notwendig, und reiche Länder können nicht einfach auf ihren Händen sitzen, wenn irgendwo auf der Welt Hunderttausende elend zugrunde gehen.
Außer, dass sie es regelmäßig tun.

Denn es gibt einerseits Konflikte und Katastrophen, die im TV gezeigt werden, wodurch große internationale Hilfsaktionen mit dem damit in der Regel einhergehenden hohen Spendenaufkommen in die Wege geleitet werden. Und es gibt andererseits Notsituationen, die kaum auf den Radarschirmen der westlichen Wohltäter erscheinen, weshalb dann dort die Menschen unter Ausschluss der Weltöffentlichkeit still vor sich hin verrecken.

Gute Absichten in der Hölle

Niemand weiß zum Beispiel so ganz genau, was in weiten Teilen des Kongo vor sich geht. Manchmal werden Berichte über Grausamkeiten von unaussprechlicher Perversität publik, doch sind die Aussichten, dass diesem Albtraum in absehbarer Zeit ein Ende bereitet werden könnte, verschwindend gering.

In ihrem bemerkenswerten Buch mit dem Titel „War Games – The Story of Aid and War in Modern Times“ schreibt Linda Polman, wie problematisch internationale Hilfe in Konfliktzonen oft sein kann. Die sudanesische Regierung erhebt z.B. auf sämtliche Hilfsgüter Einfuhrzölle (!). Dies erlaubt dem Regime u.a., den Wert dieser Hilfe genau zu taxieren … und die im eigenen Staatshaushalt für Hilfszwecke vorgesehenen Mittel dementsprechend zu reduzieren. Das eingesparte Geld wird dann in die Streitkräfte und regimenahe Milizen investiert, welche schließlich in Krisenregionen wie im Darfur mit frisch gestärktem Furor Menschen aus ihren Heimatdörfern in die Flüchtlingslager treiben.

Gerade in Kriegsregionen ist es bedauerlicherweise oft so, dass gerade die internationale Hilfe das Kriegsführen sogar wesentlich erleichtert, weil die Kontrahenten (in Bosnien war das übrigens schon genauso der Fall) bis zu 90% der Hilfsgüter beschlagnahmen und zur Versorgung ihrer Totschläger verwenden.

In Ruanda benutzten die berüchtigten, für den Völkermord hauptverantwortlichen Hutu-Milizen die Flüchtlingslager rund um die kongolesische Stadt Goma systematisch als Rückzugsraum, wo ihre als harmlose Nonkombattanten getarnten Kämpfer medizinisch versorgt, mit Nahrungsmittelhilfe aufgepäppelt und frisch munitioniert wurden.

Man steht also vor einem klassischen Dilemma: Einerseits möchte man nicht tatenlos zusehen, wie Millionen unter unsäglichen Qualen krepieren, andererseits ist es aber wenig sinnvoll, wenn die mit bester Absicht bereitgestellten Mittel, die eigentlich zur Linderung des Leidens beitragen sollten, dieses im Endeffekt verlängern oder sogar intensivieren.
Eine Lösung für dieses moralische Problem wird indes wohl so leicht nicht zu finden sein …

Francis Wagner
fwagner@tageblatt.lu